Pferdeweidenprojekt: Bodenfallenuntersuchungen auf beweideten und nicht beweideten Flächen

Im Rahmen eines LfULG-Projekts mit der Kurzbezeichnung „Biodiversität auf Pferdeweiden“ sollte u.a. die Laufkäferfauna (Carabidae) auf beweideten und angrenzenden nicht beweideten Grünlandflächen erforscht werden. Laufkäfer haben als überwiegend am Boden lebende Organismengruppe eine gewisse bioindikatorische Relevanz, weil sie empfindlich auf Umweltveränderungen wie Trittbelastung und Mahdregime reagieren können und es einen recht guten Kenntnisstand über deren Ökologie und Verbreitung gibt.

Methodik

Zur Erfassung der Laufkäferfauna kamen in 10 Gebieten in unterschiedlichen Regionen Sachsens (Abb. 29_01) von Mitte Mai bis Mitte Juli Bodenfallen zum Einsatz.

Abb_29_01_Uebersicht_Untersuchungsgebiete_Bezeichnungen

Abb. 29_01: Übersicht Untersuchungsflächen Pferdeweidenprojekt

Auf jeweils einer beweideten und einen möglichst angrenzenden nicht beweideten Gründlandfläche pro Untersuchungsgebiet sind Fallentransekte errichtet worden, wobei jeweils 4 Kunststoffbecher linear mit etwa 10 m Abstand ebenerdig eingegraben wurden, also insgesamt auf 20 Untersuchungsflächen. Um die Umgebung der Fallen möglichst unbeeinflusst zu lassen, wurden die Löcher mit Hilfe eines Edelstahlzylinder ausgestochen, der den Durchmesser der Becher hat (Abb. 29_02).

Abb_29_02_Bodenfalle

Abb. 29_02: Bodenfalle

Nur für den Zeitraum des Fallenbesatzes mussten die Bereiche auf den normalerweise beweideten Flächen ausgekoppelt werden, um zu verhindern, dass die Becher zertrampelt werden. Die Becher haben einen Öffnungsdurchmesser von 9 cm und sind 10 cm hoch. Der Leerungsintervall beträgt 14 Tage. Als Konservierungsflüssigkeit kam gesättigte Salzlösung zum Einsatz, der etwas Essig und Alkohol sowie Detergenz (Waschpulver zur Herabsetzung der Oberflächenspannung der Flüssigkeit) zugesetzt waren.

Das Fangmaterial wurde im Labor unter einer großen Lupenlampe ausgelesen, wobei über den eigentlichen Leistungsumfang hinaus nicht nur Laufkäfer, sondern alle Käfer sowie Wildbienen, Grabwespen und stichprobenartig auch Wanzen, Zikaden, Heuschrecken, Raubfliegen separiert und in 70%igem Alkohol konserviert worden sind. Dieser Beifang wurde Spezialisten zur Verfügung gestellt, die dem Autor bekannt sind. Hierbei handelt es sich um Freizeit-Entomologen, die sachsen- und deutschlandweit faunistisch tätig sind.

Die Käfer sind mit einem Stereomikroskop bei bis zu 40facher Vergrößerung bis zur Art bestimmt worden, wobei bei manchen Arten eine Genitalpräparation erforderlich war. Als Bestimmungsliteratur diente das Standardwerk: „Freude, Harde, Lohse: Die Käfer Mitteleuropas“ sowie der darauf aufgebaute, ergänzte und teilweise verbesserte Online-Bestimmungsschlüssel „Käfer Europas https://coleonet.de“. Zudem verfügt der seit über 40 Jahren entomologisch tätige Autor über eine umfangreiche Belegsammlung in der ein Großteil der aktuell nachgewiesenen sächsischen Käferarten als sicher bestimmtes Vergleichsmaterial enthalten ist.

Ergebnisse

Insgesamt konnten 551 Käferarten nachgewiesen werden, wobei 25.510 Individuen erfasst worden sind. Die Arten- und Individuenzahlen sind in folgenden Diagrammen dargestellt (Abb. 29_03).

Abb_29_03_Diagramm_Arten_Individuenzahlen

Abb. 29_03: Diagrammübersicht der Arten- und Individuenzahlen

Die Artenzahlen schwanken zwischen 30 und 137 Arten und die Individuenzahlen zwischen 410 und 5915 Tieren. Durchschnittlich wurden pro Untersuchungsfläche ca. 100 Arten mit 1000 Individuen gefunden. Bei den Individuenzahlen fällt die extrem hohe Zahl von fast 6.000 auf der Wiese bei Seelitz auf. Mit großer Wahrscheinlichkeit kam es hier zu einem „Rand- und Fluchteffekt“. Das muldenahe Grünland sollte im Untersuchungszeitraum gemäht werden. Es wurde vereinbart, einen 5 m breiten Streifen, in dem die Fallen eingegraben worden sind, nicht zu mähen. Die Bodenfallen sind am Beginn der Untersuchung mit Stöcken und Fähnchen markiert worden. Dem deutschen Ordnungswahn folgend, wurde bis an die Fähnchen und damit die Bodenfallen heran gemäht. Daraufhin flüchteten offenbar alle Bodenarthropoden von der plötzlich abgemähten großen Fläche in den ungemähten schmalen Bereich und fielen dadurch zuhauf in die Fallen. Die deutlich unterdurchschnittlichen Arten- und Individuenzahlen in der Bergbaufolgelandschaft bei Bluno dürften mit der extremen Trockenheit zusammenhängen. Selbst im unbeweideten Bereich gab es neben einzelnen jungen Kiefern überwiegend offenen Sandboden und nur eine ganz spärliche Ruderalvegetation. Zudem wurden die Fallen entweder von Ameisen mit Sand zugekippt, oder waren ausgetrocknet bzw. voll Italienischer Schönschrecken, die dort eine Massenpopulation haben und zu Hunderten in die Fallen sprangen.

Betrachtet man nur die Laufkäfer ergibt sich folgendes Bild: Es wurden insgesamt 99 Laufkäferarten nachgewiesen (entspricht 18 % aller 551 Arten), wobei 17.764 Individuen erfasst worden sind (siehe auch Abb. 29_03, blauer Teil der Balken) (entspricht 70 % aller gefangenen Individuen). Die konkreten Arten- und Individuenzahlen auf den einzelnen Flächen sind aus Abbildung 29_04 ersichtlich. Die Laufkäferartenzahlen differieren zwischen 15 und 39 und damit um mehr als 100 % bzw. das Doppelte sowie bei den Individuen zwischen 191 und 4752 und damit um über 2.350 % bzw. das 25fache.

Abb_29_04_Laufkaefer_Arten_Individuenzahlen

Abb. 29_04: Arten- und Individuenzahlen der Laufkäfer

Laut Bundesartenschutzverordnung gelten 18 Arten als „gesetzlich besonders geschützt“, u.a. sieben Arten aus der Gattung Carabus. Die Zahl der Rote-Liste-Arten (bezogen auf die eher westdeutsche als gesamtdeutsche Rote Liste, weil die Expertise der meisten aktiven ostdeutschen Koleopterologen nicht berücksichtigt wurde) beträgt 21 Arten (Zusammenfassung der Kategorien „1“ - vom Aussterben bedroht, „2“ - stark gefährdet und „3“ - gefährdet sowie „R“ - extrem selten und „G“ - Gefährdung unbekannten Ausmaßes). Bezogen nur auf die Laufkäfer stehen gerade mal 6 Arten auf dieser Liste. Betrachtet man die sächsische Rote Liste (nur für Laufkäfer, Blatthornkäfer und Bockkäfer), die leider die aktuelle faunistische Situation nur unzureichend berücksichtig, weil wiederum die aktiven Koleopterologen nicht beteiligt wurden, stehen 36 Arten zu Buche, davon 24 Laufkäferarten.

Entomofaunistisch besonders hervorzuheben ist mit Microlestes fissuralis ein Erstnachweis für die Käferfauna Sachsens was zugleich ein Zweitfund für Deutschland ist (die Art wurde vor wenigen Jahren in Sachsen-Anhalt nachgewiesen (mündl. Mitt. K. Bäse). Die Art sieht den zwei bei uns vorkommenden Spezies (M. minutulus und M. maurus) sehr ähnlich und kann wahrscheinlich nur anhand des herauspräparierten männlichen Genitals sicher determiniert werden (Abb. 29_05). Zwischen Hunderten von Microlestes minutulus und M. maurus konnten insgesamt 3 Ex. von Mitte Mai bis Ende Juni 2023 auf einem von der Pferdebeweidung ausgekoppelten Wiesenstreifen bei Wantewitz zwischen Meißen und Großenhain nachgewiesen werden.

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Abb. 29_05: Der 4 mm kleine Laufkäfer Microlestes fissuralis Reitter, 1900 wurde erstmals in Sachsen nachgewiesen und erst das zweite Mal in Deutschland

Im Folgenden werden weitere faunistische Besonderheiten genannt, die entweder in der Roten Liste stehen oder von denen es laut www.coleoweb.de nur wenige Fundmeldungen gibt. Die drei relativ seltenen Laufkäferarten Harpalus picipennis, Harpalus servus, Poecilus punctulatus kommen vor allem auf trockenen Wiesen und Ruderalflächen mit Sandboden vor. Es wurden jeweils nur wenige Exemplare von Mitte Mai bis Ende Juni 2023 auf der Pferdeweide bei Bluno (Bergbaufolgelandschaft „Terra-Nova“-Gelände) gefunden.

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Abb. 29_06: Fundmeldungen des Laufkäfers Harpalus picipennis (Duftschmid, 1812) laut www.coleoweb.de

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Abb. 29_07: Fundmeldungen des Laufkäfers Harpalus servus (Duftschmid, 1812) laut www.coleoweb.de

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Abb. 29_08: Fundmeldungen des Laufkäfers Poecilus punctulatus (Schaller, 1783) laut www.coleoweb.de

Von den folgenden drei recht seltenen Kurzflüglerarten gibt es nur wenige Fundmeldungen aus Sachsen.

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Abb. 29_09: Fundmeldungen des Kurzflüglers Rugilus subtilis Erichson, 1840 laut www.coleoweb.de. Es wurde 1 Exemplar Anfang Juni 2023 auf der Wiese in der Mulde-Aue bei Seelitz südlich von Rochlitz gefunden.

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Abb. 29_10: Fundmeldungen des Kurzflüglers Philonthus lepidus (Gravenhorst, 1802) laut www.coleoweb.de. Die Art wurde sowohl auf beweideten als auch unbeweideten Flächen in Bluno, Cosul, Salzenforst und Sprotta nachgewiesen.

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Abb. 29_11: Fundmeldungen des Kurzflüglers Ontholestes haroldi (Eppelsheim, 1884) laut www.coleoweb.de. Je 1 Exemplar wurde auf den Pferdeweiden in Breitenbrunn und Kleingießhübel nachgewiesen.

Von dem früher zur Familie Rindenkäfer (Colydiidae) zählenden Orthocerus clavicornis konnte ein Exemplar auf der Pferdeweide bei Bluno (Bergbaufolgelandschaft „Terra-Nova“-Gelände) gefunden werden. Es handelt sich um eine typische Art sandiger, vegetationsarmer, trockener Böden, die v.a. unter Flechten leben soll.

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Abb. 29_12: Fundmeldungen des Bürstenfühler-Sandkäfers Orthocerus clavicornis (Linnaeus, 1758) laut www.coleoweb.de.

Von dem zur Gruppe der Pilzkäfer (Endomychidae) gehörenden Dapsa denticollis wurden 2 Ex. Mitte Mai 2023 auf der Mähwiese in der Muldeaue bei Seelitz südlich von Rochlitz in Bodenfallen gefunden (leg., det. et coll. Lorenz). Die Art scheint aktuell außer in Sachsen sonst nirgends in Deutschland vorzukommen. Nach Dietze (2001) wurde sie in den Jahren 1998 bis 2000 bei den Ortschaften Leutewitz und Daubnitz westlich von Meißen wiederentdeckt, nachdem Dietze, den alten Literaturhinweisen (Dorn 1939) folgend, das dort erwähnte sächsische Vorkommen nachsuchte und wenige Kilometer entfernt tatsächlich die Art finden konnte. Im Nachhinein wurde via U. Hornig bzw. Dr. Th. Wolsch (coll. Wolsch) ein weiterer Fundort gemeldet, an dem Ringo Dietze im Jahr 2005 die Art nachgewiesen hat: Ortschaft Luga südwestlich von Meißen. Ende August 2014 gelang A. Kühne und Dr. H.-P. Reike ein Nachweis von Dapsa denticollis bei Nossen. Im September 2014 konnte auch der Autor die Art bei einer spontanen Exkursion zusammen mit Dr. H.-P. Rieke an dieser Lokalität finden (siehe auch Hornig & Lorenz 2018). Dietze (2001) schildet ausführlich die schwierigen Fundumstände, die ich nicht bestätigen kann. Vielleicht war es purer Zufall, aber ich konnte die Art im aufgelassenen Steinbruch bei Nossen sofort von der am Boden liegenden Vegetation/ Ästen klopfen. Der nun aktuelle Fund in Bodenfallen auf einem ziemlich intensiv bewirtschafteten Grünland entspricht weder den bei Dietze (2021) geschilderten Fundumständen noch dem Fundort im aufgelassenen Steinbruch bei Nossen. Nach bisherigem Kenntnisstand wurde diese Art nun erst das fünfte Mal seit dem Jahr 2000 in Sachsen und Deutschland nachgewiesen.

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Abb. 29_13: Fundmeldungen von Dapsa denticollis (Germar & Kaulfuss, 1816) laut www.coleoweb.de

Der zur Familie Halskäfer oder Blütenmulmkäfer zählende Hirticomus hispidus wurde in einem Exemplar Anfang Juli 2023 auf einer Pferdeweide bei Wantewitz (zwischen Meißen und Großenhain) in einer Bodenfalle gefangen. Von diesem nur 3 mm kleinen Käfer gibt es aus ganz Deutschland nur wenige Fundmeldungen – aus Sachsen sind bisher 3 Nachweise bekannt. Die Art lebt vorzugsweise auf sandig-kiesigen, spärlich bewachsenen Böden.

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Abb. 29_14: Fundmeldungen des Blütenmulmkäfers Hirticomus hispidus (Rossi, 1792) laut www.coleoweb.de.

Der seltene Ufer-Staubkäfer Opatrum riparium gehört zur Familie Schwarzkäfer und wurde mehrfach von Ende Mai bis Mitte Juni 2023 sowohl auf der Wiese als auch auf der benachbarten Pferdeweide in Sprotta östlich von Eilenburg gefunden. Die Art lebt vor allem auf sandigen ufernahen Wiesen.

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Abb. 29_15: Fundmeldungen des Ufer-Stabkäfers Opatrum riparium W. Scriba, 1865 laut www.coleoweb.de.

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Abb. 29_16: Fundmeldungen des Dungkäfers Onthophagus semicornis (Panzer, 1798) laut www.coleoweb.de. Ein Exemplar dieser seltenen Art wurde Ende Mai 2023 auf der nicht beweideten Fläche bei Wantewitz zwischen Meißen und Großenhain nachgewiesen.

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Abb. 29_17: Fundmeldungen des Schafgarben-Böckchens Phytoecia pustulata (Schrank, 1776) laut www.coleoweb.de. Ein Exemplar dieser in Sachsen seltenen Art wurde Anfang Juni 2023 auf der Wiese bei Sprotta östlich von Eilenburg nachgewiesen.

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Abb. 29_18: Fundmeldungen des Rostbraunen Blutweiderichrüsslers Hylobius transversovittatus (Goeze, 1777) laut www.coleoweb.de. Ein Exemplar dieser Art wurde Mitte Mai 2023 auf der Pferdeweide bei Sprotta östlich von Eilenburg nachgewiesen.

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Abb. 29_19: Fundmeldungen des Gespinst-Rüsslers Donus tessellatus (Boheman, 1834) laut www.coleoweb.de. Ein Exemplar dieser in Sachsen seltenen Art wurde Ende Mai 2023 auf der Wiese bei Sprotta östlich von Eilenburg nachgewiesen.

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Abb. 29_20: Fundmeldungen des Wurzelstockrüsslers Mitoplinthus caliginosus (Fabricius, 1775) laut www.coleoweb.de. 2 Exemplare wurden Ende Juni 2023 auf der Wiese in der Muldeaue bei Seelitz südlich Rochlitz nachgewiesen.

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Abb. 29_21: Fundmeldungen des Lieschgrasrüsslers Sphenophorus striatopunctatus (Goeze, 1777) laut www.coleoweb.de. 4 Exemplare wurden von Ende Mai bis Ende Juni 2023 auf der Wiese und der benachbarten Pferdeweide bei Sprotta östlich von Eilenburg nachgewiesen.

Der Anteil faunistisch bedeutsamer, relativ seltener Arten (nach einer subjektiven Einschätzung des Autors auf Grundlage der 40jährigen entomologischer Aktivität vorwiegend in Sachsen) und/oder naturschutzrechtlich relevanter Arten (geschützt laut Bundesartenschutzverordnung/ Gefährdungseinstufung nach Roten Listen Deutschland und Sachsen) ist auf den Flächen „Bluno“ (Bergbaufolgelandschaft bei Elsterheide) mit über 30 % am höchsten, wenngleich die absoluten Artenzahlen hier am niedrigsten sind. Mit einem Anteil von knapp unter 20 % dennoch überdurchschnittlich viele dieser bedeutsamen Arten konnten auch auf den Wiesen- und Weidenflächen bei Cosul (Oberlausitz), Sprotta (östlich von Eilenburg) und Breitenbrunn (Westerzgebirge) festgestellt werden. Recht hohe Werte von mindestens 17 % haben auch die Wiesenflächen bei Bärnsdorf (nördlich Dresden), Großwaltersdorf (südlich von Freiberg) und Seelitz (Muldeaue südlich Rochlitz) (Abb. 20_22).

Abb_29_22_Diagramm_faunistisch_bedeutsame_Arten

Abb. 29_22: Anteil von faunistisch/naturschutzrechtlich relevanten Arten auf den Untersuchungsflächen

In folgenden 4 Tabellen sind diese 161 bemerkenswerten Arten mit Gefährdungs- und Schutzstatus aufgelistet (Abb. 29_23 bis Abb. 29_26). Bezogen auf die Laufkäfer (Abb. 29_23) fallen die hohen Individuenzahlen bei einigen Arten auf mehreren Untersuchungsflächen auf, wie beispielsweise Anchomenus dorsalis, Amara plebeja und Amara lunicollis, obwohl bei denen nach der aktuellen Roten Liste der Laufkäfer Sachsens (Gebert 2022) die Kategorie „G“ (= Gefährdung unbekannten Ausmaßes) angegeben wurde. Insofern kann die Einstufung durchaus als diskussionsbedürftig bzw. fragwürdig angesehen werden bzw. entspricht nicht der tatsächlichen aktuellen Vorkommenssituation und Häufigkeit.

Abb_29_23_faunist_Besonderh_Tabelle1_Carabidae

Abb. 29_23: Liste der faunistisch/naturschutzrechtlich relevanten Arten auf den Untersuchungsflächen (Teil 1, v.a. Laufkäfer)

Abb_29_24_faunist_Besonderh_Tabelle2_Staphylinidae

Abb. 29_24: Liste der faunistisch/naturschutzrechtlich relevanten Arten auf den Untersuchungsflächen (Teil 2, Kurzflügler)

Abb_29_25_faunist_Besonderh_Tabelle3

Abb. 29_25: Liste der faunistisch/naturschutzrechtlich relevanten Arten auf den Untersuchungsflächen (Teil 3, Arten aus den F/H/L-Bänden 6 bis 8)

Abb_29_26_faunist_Besonderh_Tabelle4

Abb. 29_26: Liste der faunistisch/naturschutzrechtlich relevanten Arten auf den Untersuchungsflächen (Teil 4, Bock-, Blatt- und Rüsselkäfer i.w.S.)

Zusammenfassung

Bezogen auf die absoluten Laufkäfer-Artenzahlen sind diese auf 3 beweideten Flächen (Bluno, Breitenbrunn, Sprotta) höher im Vergleich zu den jeweiligen unbeweideten Flächen und demgegenüber bei 5 unbeweideten Flächen (Bärnsdorf, Großwaltersdorf, Salzenforst, Seelitz, Wantewitz) höher als auf den dortigen beweideten Flächen. Auf den beiden Flächen Cosul und Kleingießhübel gibt es keine Unterschiede in der Laufkäfer-Artenzahl von beweideter und unbeweideter Fläche. Somit schneiden bei dieser Untersuchung unbeweidete Flächen im „Biodiversitäts-Ranking“ bezogen auf die Laufkäfer besser ab als mit Pferden beweidete Flächen. Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn man alle Käferarten betrachtet, die mit den Bodenfallen gefangen wurden. Auf den 4 Pferdeweiden in Bluno, Breitenbrunn, Kleingießhübel und Sprotta konnten mehr Arten nachgewiesen werden als auf den benachbarten Wiesen und die 6 Wiesenflächen in Bärnsdorf, Cosul, Großwaltersdorf, Salzenforst, Seelitz und Wantewitz sind artenreicher als die benachbarten Pferdeweiden. Wenn man die Individuenzahlen betrachtet, die bezogen auf die Bodenfallenfangmethode als Aktivitätsabundanz gedeutet werden kann, ergibt sich ein anderes Bild: Berücksichtigt man nur die Laufkäfer-Fangzahlen sind diese auf 6 Pferdeweideflächen höher und auf 4 Wiesenflächen. Zählt man alle Käfer zusammen, haben 9 Pferdeweideflächen höhere Individuenzahl gegenüber den meist benachbarten Wiesenflächen und nur 1 Wiesenfläche ist individuenreicher zur benachbarten Pferdeweide.

Fazit

Insgesamt konnte also keine positive Korrelation zwischen Pferdebeweidung und Förderung der Artenvielfalt der vorwiegend am Boden lebenden Käferfauna festgestellt werden bzw. nur auf drei von 10 Flächen bezogen auf die Laufkäferfauna und auf vier von 10 Flächen bezogen auf alle Käfer, die in den Bodenfallen gefangen wurden. Die höhere Aktivitätsabundanz, die auf den beweideten Flächen ermittelt wurde, hängt wahrscheinlich mit dem geringen Raumwiderstand am Boden zusammen. Auf Grund der Trittschäden gibt es keine dichte Bodenvegetation, sondern mehr offene bzw. kahle Stellen. Dadurch kommen laufaktive Käfer schneller voran bzw. sie können längere Strecken zurücklegen und die Wahrscheinlichkeit in die Falle zu geraten, ist höher, als wenn sich die Käfer durch eine dichte Vegetation „kämpfen“ müssen. Entscheidend für eine höhere Artenvielfalt und das Vorkommen von faunistisch bedeutsamen Arten ist mit großer Wahrscheinlichkeit nicht pauschal die Beweidung mit Pferden sondern die Intensität der Bewirtschaftung/Beweidung und das Umfeld (naturnahe Saumstrukturen, Gehölze usw.). Mit 551 Käferarten (knapp 13 % der aktuell in Sachsen nachgewiesenen Käferarten) konnte eine überraschend hohe Artenvielfalt festgestellt werden. Zudem wurden mehrere faunistisch interessante Spezies gefunden, sodass v.a. extensiv bewirtschaftetes Grünland durchaus einen Beitrag zur Förderung der Biodiversität leisten kann.

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