Im Jahr 2017 wurde von Mitarbeitern des Senckenberg Museum für Tierkunde Dresden (REIMANN, KALLWEIT, NILSEN, JÄGER) eine neuartige Malaisefallenkonstruktion (Abb. 14-1) getestet, um bestimmte Dipteren zu erfassen. Der Käferbeifang ist freundlicherweise ausgelesen und mir zur Verfügung gestellt worden. Ihnen sei an dieser Stelle herzlich gedankt.
Abb. 14-1: Neuartige Malaisefallenkonstruktion
Die Apparatur wurde im zentralen Teil der Dresdner Heide in einem Seitentälchen des Schwarzen Bildwassers in der Nähe einer umgebrochenen Buche positioniert (Abb. 14-2). Die Falle war von Mitte Mai bis Mitte Oktober 2017 aufgebaut und wurde wöchentlich geleert.
Abb. 14-2: Position der Malaisefalle in der Dresdener Heide im Nordosten von Dresden
Es konnten 255 Käferarten nachgewiesen werden, wobei 1908 Individuen gefangen wurden. Die Verteilung der Fänge ist aus Abb. 14-3 ersichtlich. Bereits am Beginn der Erfassungszeit traten die höchsten Fangzahlen auf. Am Anfang der Erfassungszeit, d.h. Ende Mai – Mitte Juni wurden 40 bis 70 Käferarten und jeweils zwischen 140 und 240 Individuen pro Woche gefangen. Nach den Erfahrungen aus Baumkronen-Fensterfallen ist die Aktivitäts- und Flugphase vieler Käfer Ende Mai/Anfang Juni bereits in vollem Gange oder bereits abgeschlossen. Insofern dürfte zumindest ein Teil des Frühjahrsartenspektrums nicht erfasst worden sein. Auch in Anbetracht der durch den anthropogen verursachten Klimawandel auftretenden Witterungsextremen, namentlich die sehr trockenen und warmen Frühjahre müssten solche Fallen bereits Anfang April aufgebaut werden, um die immer zeitiger beginnende Aktivitätsphase vieler Insekten mit erfassen zu können. Vermutlich wären dann die Fangzahlen noch weit höher ausgefallen.
Abb. 14-3: Verteilung der Fänge entsprechend der Fallenleerungstermine im Vergleich zu den Tageshöchsttemperaturen im Fangzeitraum
Die mit 270 Individuen höchste Fangzahl erreichte die dämmerungs- und nachtaktive Blatthornkäferart Serica brunna, dessen Larven wie die Maikäferengerlinge sich von Wurzeln ernähren, gefolgt vom häufigen Schwarznahtigen Trapezrüsselkäfer Strophosoma melanogrammum (195 Tiere), der an Blättern und Nadeln verschiedener Bäume und Sträucher frisst und dem Hüpfkäfer Trixagus dermestoides (136 Tiere), dessen Larvenentwicklung an/in morschen Ästen stattfinden soll. Weitere 30 Arten sind mit 10 bis 65 Individuen recht zahlreich vertreten, wobei es sich überwiegend um weit verbreitete, euryöke Waldarten mit relativ geringen Ansprüchen an den Lebensraum handelt. Jedoch sind darunter auch einige wenige faunistische Besonderheiten bzw. Rote-Liste-Arten, die früher als Seltenheiten galten und entweder erst in den letzten Jahren häufiger geworden sind oder besonders mit kontinuierlich erfassenden Fangapparaturen erfasst werden können. Beispielsweise wurden 17 Exemplare des Schienenkäfers Microrhagus lepidus (Abb. 14-7) nachgewiesen sowie 45 Exemplare des Schienenkäfers Hylis olexai. Beide Arten sind in den letzten Jahren auch mehrfach mit Hilfe von Lufteklektoren (Fensterkreuzfallen) gefunden worden, kaum jedoch mittels Handfang.
Entsprechend der derzeit noch gültigen, jedoch veralteten Roten Liste Deutschlands (GEISER 1998) befinden sich 28 unterschiedlich stark gefährdete und fast ausschließlich xylobionte Arten im Fangmaterial, u.a. 1x „vom Aussterben bedroht“: Pilzkäfer Triplax rufipes (Abb. 14-6) und 9x „stark gefährdet“: Schienenkäfer Dromaeolus barnabita, Schwammkäfer Mycetophagus fulvicollis, Pochkäfer Dorcatoma robusta, Scheinstachelkäfer Cyrtanaspis phalerata (Abb. 14-8), Scheinstachelkäfer Anaspis marginicollis, Baummulmkäfer Euglenes oculatus, Pflanzenkäfer Hallomenus axillaris, Allecula rhenana, Rosthaarbockkäfer Anisarthron barbipes. Zwei weitere stark gefährdete Arten müssen noch von Spezialisten überprüft werden: Kurzflüglerkäfer Lordithon pulchellus und Scheinstachelkäfer Anaspis ruficollis. Zudem wurden zwei sich in Holzpilzen entwickelnde Pochkäferarten nachgewiesen, die erst seit wenigen Jahren zu unserer Fauna gehören: Dorcatoma minor und Dorcatoma androgyna. Fraglich ist, ob es sich tatsächlich um eingeschleppte oder erst vor kurzem eingewanderte Arten handelt, oder ob sie früher eher übersehen bzw. nicht erkannt wurden, weil sie nur anhand des Baus des männlichen Genitals bestimmbar sind und dies früher nicht so üblich war. Eine Auswahl der faunistisch bedeutsameren und Rote-Liste-Arten sowie gesetzlich geschützten Arten laut BArtSchV sind in Abb. 14-4 aufgelistet.
Abb. 14-4: Faunistisch bemerkenswerte, gesetzlich geschützte und Rote-Liste-Arten (Auswahl) mit Angaben zur Häufigkeit und Ökologie
Als eine tatsächlich eingeschleppte, neozootische Art kann der Asiatische Rosen-Blattkäfer Luperomorpha xanthodera angesehen werden, der in einem Exemplar gefunden wurde und aus Ostasien stammt (Abb. 14-5). Es ist bekannt, dass die Käfer mit Pflanzenimporten nach Mitteleuropa verschleppt wurden und sich über Gärtnereien und Baumärkte ausbreiten (siehe auch HORNIG & LORENZ 2018). Wie das Tier mitten in die Dresdner Heide, d.h. abseits von Bau- und Gartenmärkten, geraten ist, bleibt fraglich. Man kann dieses Phänomen mit einem Filmzitat erklären: „Die Natur findet einen Weg“ (Chaosforscher Ian Malcolm gespielt von Jeff Goldblum in: Jurassic Park).
Abb. 14-5: Der Asiatische Rosen-Blattkäfer (Luperomorpha xanthodera) wurde eher zufällig mit der Malaisefalle erstmals in Sachsen nachgewiesen
Der Pilzkäfer Triplax rufipes ist laut bundesdeutscher Roter Liste „vom Aussterben bedroht“. Die bisherigen Nachweise in Sachsen beschränkten sich vor allem auf die Sächsische Schweiz (LORENZ 2006, 2007) und bisherige Einzelfunde aus zwei angrenzenden Gebieten (Dresdner Elbtal und östliches Osterzgebirge bei Bad Gottleuba) sowie ein Fund im westlichen Teil des Oberlausitzer Heide- und Teichgebietes bei Lieske (eigene Nachweise). Die Art scheint an recht alt- und totholzreiche Wälder gebunden zu sein. In der Sächsischen Schweiz wurde er mehrfach an weichen Baumpilzen mit Lamellen, beispielsweise am Lungen-Seitling (Pleurotus pulmonarius), der auch als Löffelförmiger Seitling oder Sommer-Austernseitling bezeichnet wird, gefunden. Der Baumpilz wächst von Mai bis August auf relativ frisch umgebrochenen Buchenstämmen.
Abb. 14-6: Pilzkäfer Triplax rufipes
Der Schienenkäfer Dirhagus lepidus wurde bisher nur an wenigen Orten in Sachsen gefunden, beispielsweise 2011 bei Rochsburg und im Chemnitzer Zeisigwald (R. PESCHEL in lit) sowie 2011 in einer Malaisefalle in einem Hartholz-Auwaldrest in der Kleinraschützer Heide westlich von Großenhain (HORNIG et al., 2013, JÄGER et al., 2016). Im Jahr 2017 ist die Art auch im NSG „Seußlitzgrund“ bei Diesbar-Seußlitz in einem Lufteklektor gefunden worden, der an einer frisch abgestorbenen Rosskastanie hing (LORENZ 2018).
Abb. 14-7: Schienenkäfer Dirhagus lepidus
Der seltene Rotgebänderte Scheinstachelkäfer Cyrtanaspis phalerata wurde bisher erst wenige Male in Sachsen gefunden, beispielsweise bei einem Lichtfang im Landkreis Mittelsachsen an der Freiberger Mulde bei der Ortschaft Kloster Buch östlich von Leisnig (leg. H. VOIGT, col. et det. J. LORENZ).
Abb. 14-8: Rotgebänderter Seidenkäfer Cyrtanaspis phalerata