Vorbemerkungen (je ein Zitat aus den sieben vorangegangenen Beiträgen zur „Haus- und Hofkäferfauna“ 2013 bis 2019):
„…Ende 2013 berichtete ich im Beitrag: „Was kräucht und fleucht um Haus und Hof – Teil 1“ über die Käfer, die ich im Laufe des Jahres auf dem Grundstück nachgewiesen hatte. Bei gelegentlichen „Gartenexkursionen“, bei gezielten Beobachtungen der Vegetation und bei mehreren Lichtfängen waren etwas mehr als 300 Käferarten zusammengekommen…“
„…Im Jahr 2014 packte mich der Ergeiz und ich intensivierte die Käfererfassungsaktivitäten, indem ich vier Bodenfallen eingrub und alle 14 Tage leerte, eine Fensterkreuzfalle aufhängte und wiederum mehrere Lichtfänge machte. Am Ende des Jahres sind fast 500 Käferarten zusammengekommen, von denen wiederum fast 300 Arten neu waren, d.h. diese 300 Arten hatte ich im Jahr zuvor noch nicht gefunden. Somit sind nach zweijährigem Untersuchungszeitraum etwa 610 Käferarten auf dem Grundstück nachgewiesen worden. Die Ergebnisse sind im Beitrag „Was kräucht und fleucht um Haus und Hof – Teil 2“ dargestellt…“
„…Im Jahr 2015 gingen die Erfassungen mit geringerem Aufwand weiter. Wiederum spazierte ich besonders aufmerksam in den „eigenen vier Zäunen“ umher und alles, was mir an Käfern über den Weg lief, vors Auge flog sowie an der Hauswand oder auf der Vegetation saß, wurde bestimmt und dokumentiert, und falls es unbekannt oder auf den ersten Blick schwer erkennbar war, wurde es genauer unter die Lupe genommen. Zudem ist von Mitte Juni bis Mitte Oktober eine Bodenfalle auf der Wiese unter einem extra belassenen Heuhaufen und eine weitere Bodenfalle mitten im Komposthaufen eingegraben und alle 14 Tage geleert worden. Auch führte ich wieder mehrere Lichtfänge durch. Das Ergebnis am Ende Jahres: 360 Käferarten, darunter 110 neue Arten, d.h. sie wurden in den beiden Jahren zuvor noch nicht nachgewiesen (siehe auch: Beitrag „Was kräucht und fleucht um Haus und Hof – Teil 3“)...“
„…Auch in diesem Jahr 2016 wurde die Käferfauna des Grundstücks aufmerksam beobachtet und dokumentiert. Die Fangmethoden waren wiederum das gelegentliche Aussieben von Heu- und Laubhaufen, Klopfschirm- und Kescherfänge sowie Lichtfänge. Außerdem wurde im April und im Juni eine Bodenfalle im Kompost eingegraben und wöchentlich geleert. Am Ende des Jahres sind wieder über 300 Arten nachgewiesen worden mit immerhin fast 80 Neunachweisen, d.h. sie wurden in den drei Jahren zuvor noch nicht gefunden. Innerhalb von vier Jahren sind demnach 800 Käferarten auf dem 1000 qm großen Grundstück gefunden worden! Somit konnten fast 20 % der Arten nachgewiesen werden, die aktuell für ganz Sachsen gemeldet sind…“ (siehe auch: Beitrag „Was kräucht und fleucht um Haus und Hof – Teil 4“)…
Im Jahr 2017 gingen die Erfassungen zur Käferfauna des Grundstücks weiter. Die Fangmethoden und der Erfassungsumfang war ähnlich wie in den Vorjahren, d.h. Handfänge, Heu- und Laubgesiebe, 4 Lichtfänge sowie der gelegentliche Einsatz von Streifsack und Klopfschirm. Zudem gab es wieder Bodenfallenerfassungen von Mai bis Juli. Eine Bodenfalle wurde auf der Wiese am Stammfuß des Bergahorn-Hochstubbens eingegraben, was in etwa dem Bodenfallenstandort 2 aus der Erfassung von 2014 entsprach und die andere Bodenfalle auf einer Brache im Südwesten des Grundstücks, d.h. am Bodenfallenstandort 4 aus dem Jahr 2014. Am Ende der Fangsaison 2017 sind 396 Käferarten nachgewiesen worden, darunter etwa 70 Arten, die in den vier vorhergehenden Jahren noch nicht gefunden wurden. Damit erhöht sich die Gesamtartenzahl, die innerhalb von 5 Jahren auf dem 1000 qm großen Gartengrundstück nachgewiesen werden konnten auf 870 Käferarten! ... (siehe auch: Beitrag „Was kräucht und fleucht um Haus und Hof – Teil 5“) (die Erhöhung um 10 Arten gegenüber dem Beitrag ist dadurch zu erklären, dass sich im Nachhinein nach der Überprüfung durch Spezialisten doch neue Arten hinzugezählt werden können)…
Natürlich wurde auch im Jahr 2018 die „Haus- und Hoffauna“ wieder relativ akribisch dokumentiert. Fallenfänge sind zwar keine mehr durchgeführt worden. Dafür hat sich die Zahl der Lichtfänge erhöht, weil es wegen des extrem trocken-warmen und lange anhaltenden Sommers von April bis Oktober ausreichend Gelegenheit gab, bei entsprechend hohen Nachttemperaturen von über 20 °C zu leuchten. Bei diesen hohen Temperaturen nach Sonnenuntergang sind viele dämmerungs- und nachtaktive Käferarten besonders flugaktiv. Auf Grund der Lockwirkung durch eine 250 Watt sowie eine 125 Watt Mischlichtlampe, die auf der Terrasse installiert wurden, stammt natürlich ein großer Teil der Käfer, die ans weiße Laken flogen, nicht direkt vom Grundstück, sondern aus der näheren Umgebung des Dorfs. Im Jahr 2018 konnten wieder über 400 Käferarten registriert werden, wobei mehr als 1.700 Individuen erfasst wurden. Überraschend war, dass, wie schon ein Jahr zuvor, eine ähnlich hohe Zahl von ca. 80 „neuen“ Arten nachgewiesen werden konnte, d.h. sie wurden in den 5 Jahren zuvor nicht gefunden. … Viele Neunachweise im Jahr 2018 gelangen mit Hilfe der Lichtfänge.
Da im Jahr 2019 weitere 43 „neue“ Arten nachgewiesen wurden, erhöht sich damit die Gesamtartenzahl auf 1004. Somit ist nach 7 Jahren ziemlich intensiver „Biodiversitätsforschung vor der Haustür“ auf dem heimischen tausend Quadratmeter großen Grundstück die 1000-Arten-Marke geknackt worden.
Im Jahr 2020 wurden wieder etwas mehr „neue“ Arten nachgewiesen, als im Jahr zuvor. Die Gesamtartenzahl nach 8-jähriger Erfassung im 1000 Quadratmeter großen Grundstück liegt Ende 2020 bei etwa 1060. Der jährliche Artenzuwachs (absolut und kumulativ) seit dem Beginn der Erfassungen im Jahr 2013 ist in Abb. 21-01 und Abb. 21-02 grafisch dargestellt.
Es liegt in der Natur der Sache, dass die eine oder andere Fehlbestimmungen korrigiert oder sogar gestrichen werden muss bzw. wenige Arten in den einzelnen Jahren hinzukommen, weil der Artstatus damals unklar war oder weil es mittlerweile taxonomische Änderungen und/oder bessere Bestimmungsschlüssel oder neue Erkenntnisse gibt, sodass es bei den Artenzahlen in den einzelnen Jahren gegenüber den vorherigen Beiträgen geringfügige Abweichungen gibt.
Abb. 21-01: Gesamtübersicht zu den Artenzahlen
Abb. 21-02: Trendlinie zur Artenakkumulation
Wiederum stammt ein Großteil der Neunachweise im Jahr 2020 von den Lichtfängen und insofern mit großer Wahrscheinlichkeit nicht unmittelbar aus dem eigenen Garten, sondern aus der näheren Umgebung. Die aus meiner lokal- und regionalfaunistisch beschränkten Sicht bemerkenswerten „neuen“ Arten aus dem Jahr 2020 sowie einige interessante Arten, die aber auch schon in den vergangenen Jahren gefunden wurden, sind in folgender Übersicht aufgelistet (Abb. 21-03):
Abb. 21-03: Im Jahr 2020 gefundene faunistische Besonderheiten (subjektive Einschätzung)
Einige der faunistisch interessanten Neufunde werden nachfolgend ausführlicher erläutert. Erstaunlicherweise sind 2020 relativ viele „neue“ Laufkäferarten in Grundstück gefunden worden, sodass sich die Gesamtartenzahl der Laufkäfer auf 120 erhöht.
Am 12. Juni 2020 konnte 1 Exemplar dieser unscheinbaren Art beim Lichtfang auf der Terrasse nachgewiesen werden (Abb. 21-06). Bisher gab es aus Sachsen vor allem Oberlausitzer Fundmeldungen, beispielsweise einerseits aus der Bergbaufolgelandschaft nördlich von Hoyerswerda (eigene Funde mit Bodenfallen bei Laubusch, Tätzschwitz sowie von Südufer des Partwitzer Sees) und andererseits aus der Königsbrücker Heide (Böckelmann et al. 2007).
Abb. 21-04: Der sehr seltene Acupalpus brunnipes lebt eigentlich in Feuchtgebieten und könnte gezwungenermaßen seinen ursprünglichen, aber ausgetrockneten Lebensraum verlassen haben, um neue Feuchtbiotope zu erreichen (Foto: Lech Borowiec)
Am 12. August 2020 wurde ein Exemplar beim Lichtfang auf der Terrasse angelockt. 1993 fand ich die Art mit Bodenfallen nördlich von Dresden bzw. östlich von Kurort Volkersdorf auf einer frisch mit Sand abgedeckten Deponie und im Jahr 2002 ebenfalls mit Bodenfallen auf einem sandigen Acker in der Bergbaufolgelandschaft bei Seidewinkel nördlich von Hoyerswerda. Aus den mit sandigen Böden geprägten nordostsächsischen Tieflands bzw. der Region der Hoyerswerdaer und Muskauer Heide sind nach Klausnitzer et al. (2009) weitere Funde bekannt. Umso überraschender ist nun der Nachweis im elbnahen Lößhügelland mit Hilfe von Lichtfang, was wahrscheinlich mit einer Ausbreitungstendenz Richtung Nordwesten zusammenhängen könnte, zumal Mertens et al. (2020) vom Erstnachweis dieser Art in Niedersachsen berichten, einerseits mit Hilfe von Autokescher und andererseits per Lichtfang in tropischen Nächten. Für die Überprüfung der Bestimmung, auch für die folgende Art danke ich Herrn Dr. Ingo Brunk recht herzlich.
Abb. 21-05: Die sich offensichtlich nachts ausbreitende und lichtaffine Laufkäferart Harpalus melancholicus (Foto: Niklas Jeppsson)
Am 19.7. wurden vier und 1.8.2020 ein Exemplar auf der Terrasse per Lichtfang angelockt. Der eigene Erstfund der gleichzeitig der bisher einzige Nachweis in Sachsen seit der Jahrtausendwende war, gelang mit Hilfe des Bodenfallenfangs im Jahr 2001 in einem Sandsteinbruch bei Pirna. 2019 fand ich ein Exemplar dieser Art bei einem Lichtfang im Dresdener Sandgebiet Heller. Auch hier scheint es, wie bei der vorherigen Art, eine nächtliche Ausbreitung und Lichtaffinität zu geben, was eventuell eher mit der Trockenheit der vergangenen Jahre zusammenhängt, denn Lichtfänge wurden in den letzten 20 Jahre viele durchgeführt, ohne die wahrscheinlich unterhalb der Nachweisschwelle lebende Art nachgewiesen zu haben? Nach dem online-Verzeichnis der Käfer Deutschland gibt es nur ältere Fundmeldungen aus Nordsachsen, Vogtland sowie der Umgebung von Dresden.
Abb. 21-06: Die sich offenbar nachts ausbreitende und lichtaffine Laufkäferart Harpalus tenebrosus (Foto: Udo Schmidt)
Am 8. Mai 2020 wurde ein Exemplar von Diachromus germanus im Garten unter einem Stein entdeckt und somit erst der siebente eigene Nachweis dieser Art in Sachsen seit 2003. Von dieser auffällig gefärbten Art gibt es relativ viele Fundmeldungen aus Sachsen, vor allem aus dem Hügel- und Tiefland. Eigene Nachweise gelangen an Bachufer und Ackerrandstreifen (Beobachtung), Feuchtwiesen, magere Frischwiesen und Laubmischwald (Streifsackfang), Bachwald und Kiefern-Mischwald (Lufteklektor) und nun: Garten. Eine Biotoppräferenz ist nicht erkennbar.
Abb. 21-07: Der wärmeliebende Laufkäfer Diachromus germanus scheint eventuell vom anthropogen verursachten Klimawandel zu profitieren? (Foto: Micha Happ)
Laut der Fundpunktkarte im colkat.de sind bisher erst vier Funde dieser Art aus Sachsen bekannt, vor allem aus West- und Nordsachsen (Abb. 21-08). Der jetzige und damit fünfte Nachweis für Sachsen dürfte der bisher östlichste sein. Offenbar breitet sich die Art aus Südwesten kommend weiter Richtung Nordosten aus, zumal es aus Thüringen bereits viele Nachweise gibt (Andreas Weigel teilte mir mit, dass es in Thüringen bisher 183 Fundmeldungen gibt, die meisten aus den letzten 10 bis 15 Jahren, und dass die Art regemäßig mit Lichtfallen gefangen wird), aber in Brandenburg noch keine Fundmeldung. Möglicherweise spielen aber auch Chemie und Struktur der Böden eine Rolle? Vielleicht werden die in Brandenburg vorherrschenden sauren Sandböden gemieden? Für die Bestimmung danke ich Herrn Dr. Ingo Brunk recht herzlich.
Abb. 21-08: Fundmeldungen von Ophonus ardosiacus in Deutschland (online-Portal: „Verbreitung der Käfer Deutschlands“: www.colkat.de)
Abb. 21-09: Der schwer bestimmbare Ophonus ardosiacus breitet sich wahrscheinlich immer weiter Richtung Nordosten Europas aus (Foto: Marion Friedrich)
Beim Lichtfang am 29.7.2020 ist ein Exemplar dieser relativ seltenen aquatischen Art ans beleuchtete Tuch geflogen. Bisher hatte ich sie erst 2x gefunden, einerseits an den linkselbischen Hängen zwischen Dresden und Meißen bei Gauernitz sowie andererseits mit dem Wasserkescher bei Lieske im Oberlausitzer Heide- und Teichgebiet, wo es weitere Fundmeldungen gibt (Klausnitzer et al. 2009).
Abb. 21-10: Der relativ seltene Wasserkäfer Enochrus bicolor (Foto: Donald Hobern)
Beim Lichtfang am 7.9.2020 und mittels Heugesiebe am 2.10.2020 konnte jeweils 1 Exemplar auf dem Grundstück nachgewiesen werden. Anfang der 2000er Jahre ist diese Adventivart, die aus Australien eingeschleppt wurde (Renner 1998), erstmals in Sachsen bzw. speziell in der Oberlausitz gefunden worden, und auch aus den darauffolgenden Jahren gibt es mehrere Fundmeldungen aus dieser ostsächsischen Region (Klausnitzer et al. 2009). Der jetzige Fund ist der bisher westlichste in Sachsen. Sicherlich ist die Art weiter verbreitet, wird aber nicht entdeckt, da es nur wenige „verrückte“ Käferleute gibt, die solche Winzlinge sammeln, präparieren und bestimmen (lassen).
Abb. 21-11: Der aus Australien stammende Punktkäfer Clambus simsoni hat sich in ganz Mitteleuropa ausgebreitet (Foto: Ole Martin)
Am 12. August 2020 wurde mit Hilfe einer Stirnlampe beim Ableuchten des Bergahorn-Hochstubbens, der auf der Wiese vor der Terrasse steht, ein Exemplar gefunden. Bisher gab es aus Sachsen nur Nachweise aus dem Crimmitschauer Raum und bei der Ortschaft Steinpleiß westlich von Zwickau, gemeldet von Andreas Weigel (vielen Dank für die Mitteilung!). Für die Anfertigung des Fotos danke ich Olaf Jäger vom Senckenberg Museum für Tierkunde und für die Bestimmung Herrn Jens Esser recht herzlich.
Abb. 21-12: Nach www.colkat.de dürfte es erst der dritte aktuelle Nachweis der offenbar seltenen Schimmelkäferart Cryptophagus populi in Sachsen sein (Foto: Olaf Jäger, Senckenberg Museum für Tierkunde Dresden)
Am 12. August 2020 wurde ein Exemplar beim Lichtfang auf der Terrasse angelockt. Da auch regelmäßig Hornissen angelockt werden, weil es in der angrenzenden Streuobstwiese Nester gibt, war es nur eine Frage der Zeit, bis diese Art gefunden werden konnte. Auf dem Grundstück bzw. unterm Dach des Hauses also nur wenige Meter oberhalb der Lichtfanganlage gab es 2020 zwei Wespennester. Möglicherweise kommt dieser im Allgemeinen an Hornissennestern gebundene Art auch bei Wespen vor? Ich konnte die Art bisher an über 30 Lokalitäten nachweisen, meistens mit Hilfe von Lufteklektoren.
Abb. 21-13: Der Hornissen-Schimmelkäfer Cryptophagus micaceus scheint in den letzten Jahren häufiger geworden zu sein (Foto: Klaus Bek Nielsen)
Beim Lichtfang am 19.7.2020 konnte 1 Exemplar auf dem Grundstück nachgewiesen werden. Vielleicht ist es nur Zufall, aber beim Blick in die eigene Datenbank, die seit Anfang der 1990er Jahre kontinuierlich gefüttert wird, entsteht der Eindruck eines „zyklisch“ gehäuften Auftretens dieser Art. Die ersten Funde aus der Kleinkuppenlandschaft nördlich von Dresden stammen aus dem Jahr 1993. Nach 10 Jahren wurde die Art dann 2003 im Moritzburger Wald wieder mal gefunden, dann 2005 im NSG „Röderauwald“ bei Zabeltitz (leg. Ch. Zirkel) und dann gibt es von 2006/2007 einen Nachweis aus Nossen und sieben Funde im Oberlausitzer Heide- und Teichgebiet. Anschließend ist die Art vier Jahre lang quasi verschollen und tauchte erst 2011/2012 wieder auf (wieder überwiegend im Oberlausitzer Heide- und Teichgebiet). Dann ist sie wieder für sieben Jahre verschwunden (bzw. wurde nicht nachgewiesen, obwohl es die ganzen Jahre über ähnliche Sammelaktivitäten gab) und jetzt 2020 gelang der nächste Nachweis.
Abb. 21-14: Der Marienkäfer Sospita vigintiguttata ist in Sachsen nicht allzu selten, scheint aber zyklischen Häufigkeitsschwankungen zu unterliegen und kommt in zwei unterschiedlichen Farbmorphen vor: schwarz oder rot mit gelblich-weißen Flecken (Foto: Jörg Lorenz)
Am 12.8.2020 konnte 1 Exemplar auf dem Grundstück beim Lichtfang nachgewiesen werden. Die Art konnte ich erstmals im Jahr 2008 in Sachsen bzw. konkret im NSG „Zatschke“ bei Pirna (Lorenz 2008) in einem Lufteklektor finden, der an einer anbrüchigen Rot-Buche hing (Klausnitzer et al. 2012). Weitere Nachweise gibt es aus der Kleinraschützer Heide bei Großenhain (Lufteklektor an Eiche und Lichtfang), dem NSG „Seußlitzer Grund“ (Lufteklektoren an Buche und Rosskastanie) und aus der Dresdner Heide (Malaisefalle neben Buchenstumpf).
Abb. 21-15: Der Nagekäfer Dorcatoma minor ist in Sachsen ziemlich selten, aber in alt- und totholzreichen Laubmischwäldern wahrscheinlich überall zu finden. Evtl. gibt es eine Bevorzugung für Baumpilze an Rot-Buche (Foto: PieZo)
Beim Lichtfang am 12.6.2020 konnte 1 Exemplar auf dem Grundstück nachgewiesen werden. Von 2008 bis zum diesjährigen Fund konnte die Art 9x nahezu über ganz Sachsen verteilt nachgewiesen werden, z.B. Oberlausitz: Neustadt, NSG „Georgewitzer Skala“ (Lorenz 2020); Dresden; Pirna bzw. NSG „Zatzschke“ (Lorenz 2008); Osterzgebirge: Hartmannsbach; Leipziger Raum: Göselbachaue bei Pötzschau; NSG „Seulitzer Grund“, Kleinraschütz bei Großenhain (Jäger et al. 2016), meist mit Hilfe von Lufteklektoren. Die Bestimmung ist eigentlich nur anhand der Genitalpräparation der Männchen möglich – dann aber eindeutig. Die Erstfund-Meldung für Sachsen (Lorenz 2001) aus dem Dresdner Tännichtgrund (Juni 2000) kann leider wegen des verschollenen Belegexemplars nicht mehr nachvollzogen werden.
Abb. 21-16: Der Nagekäfer Dorcatoma substriata ist in Sachsen selten, aber in alt- und totholzreichen Laubmischwäldern wahrscheinlich überall zu finden (Foto: SiGa)
Beim Lichtfang am 12.8.2020 konnte 1 Exemplar auf dem Grundstück nachgewiesen werden. Von dieser recht seltenen Art gibt es bisher nur wenige eigene Funde aus Sachsen: Dresdner Heide, NSG „Rabenauer Grund“ bei Freital, Kirnitzschklamm in der Hinteren Sächsischen Schweiz und FND „Rabinke“ bei Cunewalde im Oberlausitzer Bergland.
Abb. 21-17: Der seltene Düsterkäfer Hallomenus axillaris konnte bisher erst wenige Male in Sachsen gefunden werden (Foto: Sven Johansson)
Beim Lichtfang am 1.8.2020 konnte 1 Exemplar auf dem Grundstück nachgewiesen werden. Nach Müller et. al. (2005) handelt es sich um eine Urwald-Reliktart. Sie kommt vor allem in morschen, alten Bäumen mit Mulmhöhlen vor, oft zusammen mit dem Eremiten. Aus Sachsen gibt es recht viele Fundmeldungen (Lorenz 2010a).
Abb. 21-18: Der Schwarzkäfer Neatus picipes ist in Sachsen nicht allzu selten und scheint an Mulmhöhlen bzw. alte morsche Laubbäume gebunden zu sein (Foto: Jörg Lorenz)
Beim Lichtfang am 12.6.2020 konnten 3 Exemplare auf dem Grundstück nachgewiesen werden und am 19.7.2020 war noch mal ein Tier am Licht beobachtet worden. Wahrscheinlich ist es der zweite Fund in Sachsen, denn der Erstnachweis gelang 2018 durch Herrn Michael Krahl in der Oberlausitz (Hornig 2020). Es handelt sich um eine Adventivart, die aus Nordamerika stammt und sich seit Anfang der 1990er Jahre in Europa ausbreitet (Reibnitz & Schawaller, 2006).
Abb. 21-19: Der aus Nordamerika eingeschleppte Schwarzkäfer Cynaeus angustus wurde erst das zweite Mal in Sachsen gefunden, scheint sich aber weiter auszubreiten (Foto: Tom Murray)
Am 12.8.2020 wurde 1 Exemplar beim Lichtfang auf dem Grundstück nachgewiesen. Die Art ist recht häufig und kann an verpilztem, aber ziemlichen trockenen Totholz regelmäßig gefunden werden. Die Einstufung als „gefährdet“ in der alten bundesdeutschen Roten Liste (Geiser 1998) sollte überprüft werden.
Abb. 21-20: Der Schwarzkäfer Pentaphyllus testaceus ist in Sachsen nicht allzu selten. Die Gefährdungseinstufung laut alter bundesdeutscher Roter Liste von 1998 sollte überprüft werden (Foto: P. M. Hammond)
Beim Lichtfang am 1.8.2020 konnte 1 Exemplar auf dem Grundstück nachgewiesen werden. Die ursprünglich sehr seltene Art breitet sich seit 2 Jahren plötzlich überall aus und ist regelmäßig unter der Rinde von frisch abgestorbenen Kiefern und Fichten zu finden, die der Trockenheit der vergangenen 3 Jahre und der damit verbundenen Borkenkäferkalamität zum Opfer gefallen sind (Krahl 2020, Hornig 2020). 2019 fand ich Art erstmals in der Oberlausitz im NSG „Georgewitzer Skala“ unter Fichtenrinde und am Dresdner Elbhang mittels Lichtfang sowie 2020 ebenfalls in der Oberlausitz bei Schmerlitz unter Kiefernrinde, aber auch im NSG „Windberg“ bei Freital unter Kiefernrinde und im Waldgebiet Großholz bei Leuben-Schleinitz unter Fichtenrinde und am Licht. Die Art scheint sich zusammen mit den Borkenkäfern fliegend auszubreiten und ist, wie diese, offenbar ziemlich lichtaffin.
Abb. 21-21: Der Schwarzkäfer Corticeus fraxini galt bis vor zwei Jahren als große Seltenheit, breitet sich aber nun geradezu invasiv aus als Folge des trockenheits- und borkenkäferkalamitätsbedingten Absterbens der Fichten und Kiefern (Foto: Jörg Lorenz)
Am 20.6.2020 konnte ich 2 Exemplare am Berg-Ahorn-Hochstubben entdecken. Damit erhöht sich die Zahl der xylobionten Käferarten, die an dieser einen 3 m hohen Totholz-Struktur seit 2013 gefunden wurden, auf 80 Arten. An insgesamt 20 verschiedenen Lokalitäten habe ich diese Art in Sachsen nachweisen können, die laut Müller et al. als „Urwald-Reliktart“ gilt, v.a. unter Eichenrinde.
Abb. 21-22: Der Schwarzkäfer Corticeus fasciatus ist in Sachsen nicht allzu selten. Der Status als sogenannte Urwald-Reliktart sollte einer kritischen Überprüfung unterzogen werden (Foto: H. Bouyon)
Je ein Exemplar konnte beim Lichtfang am 19.7. und 12.8.2020 nachgewiesen werden. Nachdem in den Vorjahren bereits der an Eiche gebundene E. adspersus und der sich in Ulme entwickelnde E. punctipennis angelockt werden konnten, ist nun auch der Linden-Wimperhornbock auf dem Grundstück „gelandet“. Alle drei Arten stammen sicherlich aus dem nur 100 m entfernten Gehölz.
Abb. 21-23: Der Linden-Wimperhornbock Exocentrus lusitanus ist in Sachsen nicht allzu selten und schon mehrfach durch Lichtfang angelockt worden (Foto: Lec Borowiecz)
Beim Lichtfang am 12.6.2020 konnte 1 Exemplar auf dem Grundstück nachgewiesen werden, und das dürfte der dritte Fund in Sachsen sein, denn nachdem die Art 2013 erstmals in Sachsen bzw. konkret im Elbsandsteingebirge in Borkenkäfer-Pheromonfallen gefunden (coll et det. Reike) (Hornig et al. 2016) konnte ich Mitte Juni 2017 ein Exemplar auch per Lichtfang am Elbufer bei Pirna nachweisen.
Abb. 21-24: Der Borkenkäfer Ips duplicatus ist erst dreimal in Sachsen gefunden worden (Foto: Olaf Jäger, Senckenberg Museum für Tierkunde Dresden)
Beim Heugesiebe wurde am 8.5.2020 ein Exemplar auf dem Grundstück nachgewiesen. Die wegen ihrer abgeplatteten Borsten recht auffällige, flugunfähige Rüsselkäferart galt eigentlich als häufig. Von 1992 bis 2008 gibt es 40 Datensätze in meiner Datenbank, und dann, nachdem 12 Jahre kein einziger Nachweis gelang, trotz ziemlich intensiver entomologischer Sammeltätigkeit, konnte ich sie erst in diesem Jahr erneut finden.
Abb. 21-25: Der Rüsselkäfer Otiorhynchus scaber hat markante Borsten (Foto: Siegfried Gerstner)
Beim Lichtfang am 12.8.2020 konnte 1 Exemplar auf dem Grundstück nachgewiesen werden. Nachdem ich die Art erstmals 2019 beim Lichtfang am Elbhang bei Rottewitz gefunden hatte, und im Mai 2020 auch im Waldgebiet Großholz bei Leuben-Schleinitz im Lufteklektor fand, ist es nun mein dritter Nachweis in Sachsen. Offensichtlich wird die Art im Zuge der anthropogen verursachten Klimaerwärmung häufiger und breitet sich weiter aus, ähnlich wie der „Elefanten-Rüssler“ Curculio elephas, der 2017 erstmals am Licht auf der Terrasse aufgetaucht ist sowie Curculio venosus und Curculio glandium, die in vergangenen Jahren auch am Licht gefangen werden konnten und seit 2018 jedes Jahr präsent sind. Curculio pellitus entwickelt sich, wie die anderen drei Arten an Eichen bzw. in Eicheln und stammt mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem 100 m entfernten Gehölz, wo mehrere Alt-Eichen stehen.
Abb. 21-26: Der Rüsselkäfer Curculio pellitus scheint sich auf Grund der Klimaerwärmung auszubreiten (Foto: Lec Borowiecz)
Am 30.6.2020 konnte ich mehrere Exemplare von der Vegetation im Garten klopfen, wahrscheinlich von einer (Erdbeer-?) Minze, die meine Frau wenige Jahre zuvor angepflanzt hatte. Erst vor zwei Jahren hatte dort der auffällig metallisch glänzende Blattkäfer Chrysolina herbacea gefunden werden, der wahrscheinlich mit der Pflanze eingeschleppt wurde. Ob der Rüsselkäfer auf gleiche Weise in den Garten kam, ist möglich, allerdings habe ich von Datonychus melanostictus aus den letzten Jahren auch mehrere Freilandfunde, meist auf Feuchtwiesen und damit offenbar von Wasserminze gekäschert. Im Jahr 2019 wurde sogar ein Tier im Lufteklektor in der Göselbachaue bei Dreiskau-Muckern nachgewiesen, was die gute Flug- und Ausbreitungsfähigkeit unterstreicht.
Abb. 21-27: Der Rüsselkäfer Datonychus melanostictus ist an verschiedene, v.a. feuchtigkeitsliebende Minze-Arten gebunden und dürfte sich auch in Gärten und über Pflanzenmaterial aus Bau- und Gartenmärkten ausbreiten (Foto: Lec Borowiecz)
Die Gesamtartenzahl beläuft sich mittlerweile auf mindestens 1060 Käferarten. Nach wie vor gibt es einige wenige Arten, über deren Artstatus Unklarheit besteht bzw. die derzeit noch bei Spezialisten zur Nachbestimmung sind. Bezogen auf die unterschiedlichen Fangmethoden bedeutet dies:
Nach der bundesdeutschen Roten Liste (Geiser et al. 1998, neu: es wurde die aktuelle Rote Liste der Laufkäfer Deutschlands von Schmidt et al. 2016 berücksichtigt, wodurch gegenüber der alten Roten Liste beispielsweise 10 ursprünglich gefährdete Laufkäferarten nun den Status ungefährdet haben) sind im Garten bisher 96 unterschiedlich stark gefährdete Arten gefunden worden. Eine ähnlich hohe Zahl an gefährdeten Arten konnte ich im Rahmen meiner Dissertation bei den dreijährigen Untersuchungen in der nördlich von Dresden gelegenen Kleinkuppenlandschaft nachweisen. Allerdings umfasst das dortige Untersuchungsgebiet 5 km² (Lorenz 1999).
2x „Ausgestorben/ausgerottet/verschollen“: Synchita separanda, Ips duplicatus 10x „vom Aussterben bedroht“: Ophonus diffinis, Synchita mediolanensis, Lyctus pubescens, Euglenes pygmaeus, Neatus picipes, Corticeus fraxini, Axinopalpis gracilis, Psylliodes reitteri, Bruchidius varius, Curculio elephas; 29x „stark gefährdet“: Harpalus melancholicus, Acupalpus brunnipes, Dolichus halensis, Agyrtes bicolor, Brachygonus megerlei, Dromaeolus barnabita, Attagenus punctatus, Cryptophagus labilis, Cryptophagus micaceus, Cryptophagus populi, Mycetophagus salicis, Mycetophagus fulvicollis, Aulonium trisulcum, Symbiotes gibberosus, Gastrallus laevigatus, Dorcatoma substriata, Dorcatoma robusta, Euglenes oculatus, Hallomenus axillaris Pseudocistela ceramboides, Diaclina fagi, Uloma culinaris, Corticeus fasciatus, Oxythyrea funesta, Protaetia marmorata, Osmoderma eremita, Obrium cantharinum, Xylotrechus rusticus, Exocentrus punctipennis; 55x „gefährdet“: Stenolophus skrimshiranus, Acupalpus exiguus, Abax carinatus, Badister peltatus Leiodes strigipenne, Nossidium pilosellum, Siagonium quadricorne, Planeustomus palpalis, Bledius procerulus, Hypnogyra glabra, Quedius dilatatus, Agaricochara latissima, Dacrila fallax, Phosphaenus hemipterus, Ancistronycha erichsonii, Ebaeus flavicornis, Trichodes alvearius, Hylis olexai, Drapetes mordelloides, Prionocyphon serricornis, Megatoma undata, Enicmus brevicornis, Latridius hirtus, Mycetophagus piceus, Synchita undata, Colydium elongatum, Novius cruentatus, Scymnus interruptus, Nephus quadrimaculatus, Vibidia duodecimguttata, Dorcatoma chrysomelina, Dorcatoma dresdensis, Oligomerus brunneus, Palorus depressus, Ptinus sexpunctatus, Calopus serraticornis, Aderus populneus, Meloe proscarabaeus, Meloe rugosus, Scraptia fuscula, Anisoxya fuscula, Allecula morio, Prionychus ater, Bolitophagus reticulatus, Platydema violacea, Pentaphyllus testaceus, Corticeus bicolor, Odonteus armiger, Trichius gallicus, Sinodendron cylindricum, Cerambyx scopolii, Anaesthetis testacea, Exocentrus adspersus, Exocentrus lusitanus, Phyllotreta punctulate, Pityogenes trepanatus, Lignyodes enucleator, Curculio pellitus, Tychius pusillus, Tanysphyrus ater;
Laut Bundesartenschutzverordnung gelten 44 Arten, die auf dem Grundstück gefunden wurden als „besonders geschützt“, namentlich: die 2 Sandlaufkäferarten Cicindela campestris und Cicindela hybrida, die 3 Carabus-Arten: Carabus coriaceus, C. convexus, C. nemoralis, der „Bienenwolf“ Trichodes alvearius, 29 Bockkäferarten, die 3 Prachtkäferarten Anthaxia nitidula, Agrilus cuprescens, Trachys scrobiculata sowie der Ölkäfer Meloe proscarabaeus, die Rosenkäfer-/ Goldkäferarten Cetonia aurata, Protaetia cuprea metallica, Protaetia marmorata, der Nashornkäfer Oryctes nasicornis, der Kopfhornschröter Sinodendron cylindricum und eine Art als „streng geschützt“: Meloe rugosus. Nach Müller et al. sind 4 „Urwald-Reliktarten“ auf dem Grundstück nachgewiesen worden: Synchita separanda, Neatus picipes, Corticeus fasciatus, Osmoderma eremita, von denen sich die drei zuerst Genannten wahrscheinlich auch auf dem Grundstück entwickeln, namentlich am/im Berg-Ahorn-Hochstubben.
Wiederum haben die vom vorangegangenen Beitrag vom Februar 2020 (= „7ter Beitrag zur Coleopterenfauna im eigenen Garten“) formulierten Fazit und Anmerkungen nichts von ihrer Gültigkeit verloren:
Diese Artenvielfalt auf kleinstem Raum ist überraschend und hängt sicherlich nicht nur mit meiner intensiven Erfassungstätigkeit zusammen, sondern auch mit der noch vorhandenen Strukturvielfalt auf dem Grundstück, wo sich die Natur in begrenztem Rahmen entfalten kann bzw. zugelassen wird (Belassen von Stehend-Totholz, Sensenmahd, Heuhaufen, Natursteinmauern, Verzicht auf Pestizide usw.) und in der relativ strukturreichen, näheren Umgebung (Streuobstwiese, Gehölz mit alten Laubbäumen), abgesehen von den völlig naturentfremdeten, sterilen Grundstücken, wo alles platt gemacht wird, was auch nur ansatzweise nach heimischer Natur aussieht.
Die extremen, lang andauernden trockenheißen Sommerhalbjahre in den mittlerweile drei zurückliegenden Jahren haben sehr wahrscheinlich auch zu deutlicheren Veränderungen bei der Käferfauna beigetragen als unter „Normaljahren“, wobei die Natur immer als etwas Dynamisches zu betrachten ist. Es wurde die Vermutung geäußert, dass es bei aquatischen Arten zu einer erhöhten Flugaktivität kommt, da ja die Gewässer schneller austrocken und auf der Suche nach neuen Lebensräumen die meist gut flugfähigen und lichtaffinen Arten verstärkt fliegend unterwegs sind und durch den Lichtfang eher angelockt werden, was die gestiegene Zahl aquatischer Arten induziert. Nun ist wahrscheinlich eine gegenläufige Tendenz sichtbar. Nach dem dritten Trockenjahr in Folge scheint es erste Rückgänge zu geben, weil viele aquatische Entwicklungshabitate permanent trocken sind und es auch im Winter keine Regeneration mehr gab. Typische aquatische „Pfützen-Arten“ wie Helophorus kamen 2020 bezeichnenderweise überhaupt nicht ans Licht und bei den semiaquatischen Cercyon sind deutlich weniger Individuen und Arten gefangen worden, als die Jahre zuvor ans Licht flogen. Die höchsten Artenzahlen bei den aquatischen Arten seit 2013 konnten in den trockenheißen Jahren 2018 und 2019 mit 19 bzw. 20 Arten festgestellt werden. Vielleicht hängt dies aber auch nur mit der größeren Zahl an Lichtfängen zusammen? Im Jahr 2020 sind es nur noch 12 Arten.
Bei den Laufkäfern sind hingegen, abgesehen von wenigen Ausnahmen, „gefühlt“ starke Bestandseinbrüche im Jahr 2019 zu verzeichnen gewesen oder zumindest Verschiebungen der Aktivitätsphasen. Arten, die normalerweise im Juni gehäuft auftreten, waren erst im Juli am Licht und in geringerer Häufigkeit. Hier scheinen sich zwei Effekte zu überlagern: Neben der extremen Trockenheit, die bis tief in die Böden reicht und sicherlich die im/am Boden jagenden Imagines und Larven negativ beeinflusst, fallen Ackerflächen durch die immer intensivere industrielle Landwirtschaft als Entwicklungshabitate für Insekten nahezu komplett aus (v.a. bei Maisanbau), und Randstreifen werden auch immer schmaler und eutropher. Der vor allem am Licht manchmal zu Hunderten angelockte Harpalus rufipes war in den Jahren 2018 und 2019 wesentlich seltener. Die euryöken Arten Harpalus affinis sowie Bembidion lampros konnte 2019 überhaupt nicht nachgewiesen werden. Vielleicht war es auch nur eine „gefühlte“ Veränderung oder „Einbildung“ – oder es hing tatsächlich mit dem benachbarten Rapsfeld (2018) und Maisfeld (2019) zusammen, denn 2020 konnten gleich 11 neue Laufkäferarten gefunden werden und die Gesamtartenzahl 2020 ist mit 55 die höchste, abgesehen von Jahr 2014, wo mit Bodenfallen gefangen wurde.
Auf Grund der hohen nächtlichen Temperaturen dürfte jedoch auch die Aktivität dämmerungs- und nachtaktiver sowie lichtaffiner Käferarten zugenommen haben. Auch hier überlagern sich zwei Effekte: Die extreme Trockenheit führte im Flach- und Hügelland zu Vitalitätseinbußen nicht nur von standortungeeigneten Baumarten, wie z.B. Fichten, sondern auch Birken, Berg-Ahorne, Rot-Buche u.a. starben ab. Gleichzeitig hatten beispielsweise die Borkenkäfer leichtes Spiel mit den geschwächten Bäumen, was zur Massenvermehrung führte und das Absterben der geschwächten Bäume förderte. Vor allem der Buchdrucker (Ips typographus) und der Kupferstecher (Pityogenes chalcographus) wurden 2018 und vor allem 2019 und 2020 zu hunderten vom Licht angelockt, während sie in den Vorjahren meist nur vereinzelt nachgewiesen werden konnten. Als „Folge-Art“ der Borkenkäferkalamität kann offensichtlich der Schwarzkäfer Corticeus fraxini angesehen werden, der 2020 erstmals auch am Licht gefunden wurde, nachdem er erst 2019 für Sachsen nachgewiesen werden konnte (siehe Krahl 2020 und Text oben).
Neben dieser witterungsbedingt erhöhten Aktivität heimischer Arten scheint es aber auch zu tatsächlichen Arealerweiterungen von südlichen bzw. wärmeliebenden Arten gekommen zu sein. Vor allem am Licht konnten Neufunde oder zumindest Zweit- und Drittnachweise für Sachsen festgestellt werden, wie z.B. für das Jahr 2018 der Blütenmulmkäfer Anthicus schmidti und 2019 der Glanzkäfer Epuraea ocularis sowie 2020 der Schwarzkäfer Cynaeus angustus. Auch der Laufkäfer Ophonus diffinis kam in den vergangenen drei Jahren regelmäßig ans Licht, nachdem im Jahr 2015 der zweite Fund für Sachsen gemeldet werden konnte. Im Jahr 2020 können sogar 4 Laufkäferbesonderheiten genannt werden: Acupalpus brunnipes, Ophonus ardosiacus (det. Dr. Ingo Brunk), Harpalus melancholicus (vid. Dr. I. Brunk) und Harpalus tenebrosus (vid. Dr. I. Brunk). Der Borkenkäfer Ips duplicatus wurde das dritte Mal in Sachsen und das fünfte Mal in Deutschland nachgewiesen.
Zusammenfassendes Statement: Es soll nicht als Widerspruch zum überall festzustellenden Artenschwund und dem Verlust an Biodiversität auf Grund der anthropogen verursachten negativen Veränderungen der Landschaft fehlgedeutet werden, wenn es hier auf lokaler Ebene offenbar noch Refugien der Artenvielfalt gibt und das nicht mal in einem Schutzgebiet, sondern in einem „durchschnittlichen“ Dorf. Gibt es noch Grund zur Hoffnung, um etwas pathetisch zu fragen? Hängt der Verlust an Artenvielfalt mit der geistigen Einfalt der Leute zusammen? Es scheint, als gäbe es immer mehr Deppen (getreu dem Song von Reinhard Mey: „Irgendein Depp mäht irgendwo immer“), die vorm Haus eher Betonwüsten bevorzugen, mit flächenhaften Steinschüttungen, wo mittendrin eine fremdländische Zombie-Konifere ihr jämmerlichen Dasein fristet und hinterm Haus ein 9-Millimeter-Psychopaten-Kurzrasen vorherrscht (wobei immer mehr Mähroboter zum Einsatz kommen, die permanent jedes Grashälmchen kurzhalten, die der schmerbäuchige Besitzer in Ruhe von der Liege aus mit dem Smartphone überwacht) und an der Grundstücksgrenze ein steriler Kirschlorbeer oder doch besser eine Betonmauer oder „Steinchen hinter Gittern“ Sichtschutz bieten… wo man sich fragt, welche Auswüchse diese totale Naturentfremdung noch auf Lager hat! Andererseits scheint es aber auch immer mehr „empathische“ Leute zu geben, von denen man es gar nicht erwartet, und die haben recht vernünftige Einstellungen gegenüber Natur und deren Förderung und Schutz, auch vor der Haustür, und dass man auch im Kleinen, das heißt im eigenen Garten der Artenvielfalt eine Chance geben kann/sollte/müsste...
Literatur