Biodiversitätsforschung vor der Haustür oder:

Was kreucht und fleucht um Haus und Hof? - Teil 10

Zehnter Beitrag zur Käferfauna eines Gartengrundstücks

Vorbemerkungen (je ein Zitat aus den neun vorangegangenen Beiträgen zur „Haus- und Hofkäferfauna“ 2013 bis 2021):

„…Ende 2013 berichtete ich im Beitrag: „Was kräucht und fleucht um Haus und Hof – Teil 1“ über die Käfer, die ich im Laufe des Jahres auf dem Grundstück nachgewiesen hatte. Bei gelegentlichen „Gartenexkursionen“, bei gezielten Beobachtungen der Vegetation und bei mehreren Lichtfängen waren etwas mehr als 300 Käferarten zusammengekommen…“

„…Im Jahr 2014 packte mich der Ergeiz und ich intensivierte die Käfererfassungsaktivitäten, indem ich vier Bodenfallen eingrub und alle 14 Tage leerte, eine Fensterkreuzfalle aufhängte und wiederum mehrere Lichtfänge machte. Am Ende des Jahres sind fast 500 Käferarten zusammengekommen, von denen wiederum fast 300 Arten neu waren, d.h. diese 300 Arten hatte ich im Jahr zuvor noch nicht gefunden. Somit sind nach zweijährigem Untersuchungszeitraum etwa 610 Käferarten auf dem Grundstück nachgewiesen worden. Die Ergebnisse sind im Beitrag „Was kräucht und fleucht um Haus und Hof – Teil 2“ dargestellt…“

„…Im Jahr 2015 gingen die Erfassungen mit geringerem Aufwand weiter. Wiederum spazierte ich besonders aufmerksam in den „eigenen vier Zäunen“ umher und alles, was mir an Käfern über den Weg lief, vors Auge flog sowie an der Hauswand oder auf der Vegetation saß, wurde bestimmt und dokumentiert, und falls es unbekannt oder auf den ersten Blick schwer erkennbar war, wurde es genauer unter die Lupe genommen. Zudem ist von Mitte Juni bis Mitte Oktober eine Bodenfalle auf der Wiese unter einem extra belassenen Heuhaufen und eine weitere Bodenfalle mitten im Komposthaufen eingegraben und alle 14 Tage geleert worden. Auch führte ich wieder mehrere Lichtfänge durch. Das Ergebnis am Ende Jahres: 360 Käferarten, darunter 110 neue Arten, d.h. sie wurden in den beiden Jahren zuvor noch nicht nachgewiesen (siehe auch: Beitrag „Was kräucht und fleucht um Haus und Hof – Teil 3“)...“

„…Auch in diesem Jahr 2016 wurde die Käferfauna des Grundstücks aufmerksam beobachtet und dokumentiert. Die Fangmethoden waren wiederum das gelegentliche Aussieben von Heu- und Laubhaufen, Klopfschirm- und Kescherfänge sowie Lichtfänge. Außerdem wurde im April und im Juni eine Bodenfalle im Kompost eingegraben und wöchentlich geleert. Am Ende des Jahres sind wieder über 300 Arten nachgewiesen worden mit immerhin fast 80 Neunachweisen, d.h. sie wurden in den drei Jahren zuvor noch nicht gefunden. Innerhalb von vier Jahren sind demnach 800 Käferarten auf dem 1000 qm großen Grundstück gefunden worden! Somit konnten fast 20 % der Arten nachgewiesen werden, die aktuell für ganz Sachsen gemeldet sind…“ (siehe auch: Beitrag „Was kräucht und fleucht um Haus und Hof – Teil 4“)…

Im Jahr 2017 gingen die Erfassungen zur Käferfauna des Grundstücks weiter. Die Fangmethoden und der Erfassungsumfang war ähnlich wie in den Vorjahren, d.h. Handfänge, Heu- und Laubgesiebe, 4 Lichtfänge sowie der gelegentliche Einsatz von Streifsack und Klopfschirm. Zudem gab es wieder Bodenfallenerfassungen von Mai bis Juli. Eine Bodenfalle wurde auf der Wiese am Stammfuß des Bergahorn-Hochstubbens eingegraben, was in etwa dem Bodenfallenstandort 2 aus der Erfassung von 2014 entsprach und die andere Bodenfalle auf einer Brache im Südwesten des Grundstücks, d.h. am Bodenfallenstandort 4 aus dem Jahr 2014. Am Ende der Fangsaison 2017 sind 396 Käferarten nachgewiesen worden, darunter etwa 70 Arten, die in den vier vorhergehenden Jahren noch nicht gefunden wurden. Damit erhöht sich die Gesamtartenzahl, die innerhalb von 5 Jahren auf dem 1000 qm großen Gartengrundstück nachgewiesen werden konnten auf 870 Käferarten! ... (siehe auch: Beitrag „Was kräucht und fleucht um Haus und Hof – Teil 5“) (die Erhöhung um 10 Arten gegenüber dem Beitrag ist dadurch zu erklären, dass sich im Nachhinein nach der Überprüfung durch Spezialisten doch neue Arten hinzugezählt werden können)…

Natürlich wurde auch im Jahr 2018 die „Haus- und Hoffauna“ wieder relativ akribisch dokumentiert. Fallenfänge sind zwar keine mehr durchgeführt worden. Dafür hat sich die Zahl der Lichtfänge erhöht, weil es wegen des extrem trocken-warmen und lange anhaltenden Sommers von April bis Oktober ausreichend Gelegenheit gab, bei entsprechend hohen Nachttemperaturen von über 20 °C zu leuchten. Bei diesen hohen Temperaturen nach Sonnenuntergang sind viele dämmerungs- und nachtaktive Käferarten besonders flugaktiv. Auf Grund der Lockwirkung durch eine 250 Watt sowie eine 125 Watt Mischlichtlampe, die auf der Terrasse installiert wurden, stammt natürlich ein großer Teil der Käfer, die ans weiße Laken flogen, nicht direkt vom Grundstück, sondern aus der näheren Umgebung des Dorfs. Im Jahr 2018 konnten wieder über 400 Käferarten registriert werden, wobei mehr als 1.700 Individuen erfasst wurden. Überraschend war, dass, wie schon ein Jahr zuvor, eine ähnlich hohe Zahl von ca. 80 „neuen“ Arten nachgewiesen werden konnte, d.h. sie wurden in den 5 Jahren zuvor nicht gefunden. … Viele Neunachweise im Jahr 2018 gelangen mit Hilfe der Lichtfänge.

Da im Jahr 2019 weitere 43 „neue“ Arten nachgewiesen wurden, erhöht sich damit die Gesamtartenzahl auf 1004. Somit ist nach 7 Jahren ziemlich intensiver „Biodiversitätsforschung vor der Haustür“ auf dem heimischen 1000 Quadratmeter großen Grundstück die 1000-Arten-Marke geknackt worden.

Im Jahr 2020 wurden wieder etwas mehr „neue“ Arten (54) nachgewiesen, als im Jahr zuvor. Die Gesamtartenzahl nach 8-jähriger Erfassung im 1000 Quadratmeter großen Grundstück liegt Ende 2020 bei etwa 1060.

Auch im Jahr 2021 wurden wiederum etwas mehr „neue“ Arten (60) gefunden, als im Jahr zuvor, was u.a. auch erfassungsmethodisch bedingt ist, weil, wie 2014 Bodenfallenfänge durchgeführt worden sind. Die Gesamtartenzahl nach 9-jähriger Erfassung im 1000 Quadratmeter großen Grundstück liegt Ende 2020 bei etwa 1120.

Im Jahr 2022 ist die kontinuierliche Erforschung der Käferfauna des Gartengrundstücks weiter fortgesetzt worden, wobei diesmal der Lufteklektorfang am toten Bergahorn-Hochstubben als kontinuierliche Fangmethode wiederholt wurde, wie er auch schon 2014 erfolgt ist. Zudem fanden wieder 4 Lichtfänge (Mai, Juni, Juli, August) und mehrere Gesiebe- bzw. Klopfschalen- und Streifsackfänge statt sowie sonstige Aufsammlungen und Beobachtungen. Als neue Erfassungsmethode kam eine selbst gebaute Berlese-Apparatur zum Einsatz (siehe unten).

Bei der Anzahl „neuen“ Arten kam es gegenüber dem Vorjahr zu einem geringfügigen Rückgang, wenngleich dennoch 50 Arten nachgewiesen werden konnten, die in den 9 Jahren davor noch nicht auf dem Grundstück entdeckt wurden. Bezogen auf die Jahresfangsummen kam 2022 das dritthöchste Ergebnis zusammen. 450 Käferarten konnten nachgewiesen werden, wobei über 1.900 Individuen beobachtet bzw. erfasst und bestimmt wurden. Somit erhöht sich die Gesamtartenzahl im 1000 Quadratmeter großen Grundstück nach 10-jähriger Erfassung auf 1.170 Käferarten (Abb. 24_01). Die erwartete Artensättigungskurve neigt sich weiter Richtung Waagerechte, wenngleich immer noch ein gewisser Anstieg sichtbar ist und auch in den folgenden Jahren ein weiterer, sicherlich immer geringerer Artenzuwachs erwartet werden kann (Abb. 24_02).

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Abb. 24-01: Gesamtübersicht zu den ermittelten jährlichen Artenzahlen

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Abb. 24-02: Trendlinie zur Artenakkumulation

Zu einigen der faunistisch interessanten „Neufunde“ gibt es nachfolgend ein paar Erläuterungen:

Nacerda carniolica (Gistel, 1834)

Am 20. Juli 2022 wurde ein Exemplar dieser Scheinbockkäferart beim Lichtfang auf der Terrasse nachgewiesen (Abb. 24-03). Nach bisherigem Kenntnisstand gibt es erste Nachweise dieser Art in Sachsen nur aus dem Leipziger Raum. Am 21.7.2017 wurde bei einem Lichtfang in Leipzig-Burghausen die Art fotografiert und an www.kerbtiere.de geschickt und von den Kollegen des Online-Forums eben als Nacerda carniolica bestimmt/bestätigt. Im Juli 2018 ist bei www.insekten-sachsen.de von Herrn Bernd Garbe ein Foto mit dieser Art gemeldet worden, dass er in Leipzig-Grünau gemacht hatte. Die dritte Fundmeldung aus dieser Zeit stammt von einer mehrjährigen Untersuchung im Leipziger Auwald (Hahn et al. 2022). Somit handelt es sich beim hiesigen Fund um den bisher östlichsten Fund in Sachsen von dieser offenbar in Ausbreitung befindlichen Art.

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Abb. 24-03: Vom Scheinbockkäfer Nacerda carniolica gab es bisher aus Sachsen nur wenige Jahre zurückliegende Funde aus dem Leipziger Raum. Die Wärme liebende Art breitet sich wahrscheinlich von Südwestdeutschland kommend immer weiter nach Norden und Osten aus (Foto: Erwin Holzer, Österreich).

Stelidota geminata ( Say , 1825)

Ein Exemplar des „Erdbeer-Glanzkäfers“ wurde im Auffanggefäß gefunden, d.h. es stammt aus dem Laub- und Heugesiebe, dass am 31.10.2022 in die Berlese-Apparatur (siehe unten) gefüllt und am 31.12.2022 geleert worden ist. Nach Köhler (2007) handelt es sich bei Stelidota geminata um eine Adventivart, die ursprünglich aus dem subtropischen Amerika stammt, in den Nahen Osten verschleppt und von dort nach Europa importiert wurde und sich schließlich in den Ländern um das Mittelmeer eingebürgert hat. Von dort kam es zu einer raschen Ausbreitung nach Norden. 2007 wurde die Art erstmals aus Baden-Württemberg gemeldet und wenige Jahre später auch in der Rheinprovinz (Eislinger 2015). Der Erstnachweis für Sachsen gelang 2019 in Leipzig (Hahn & Bernhard 2019). Erstaunlicherweise wurde, wie in obigen Artikeln auch erwähnt, gleichzeitig eine weitere Adventivart mit erfasst: Epuraea ocularis, die aber auch schon 2019 im Garten gefunden wurde (siehe 21. Beitrag im Blog).

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Abb. 24-04: Vom Glanzkäfer Stelidota geminata gibt es nun die erst zweite aktuelle Fundmeldungen aus Sachsen (Foto: Andreas Haselböck)

Stenagostus rhombeus ( A. G. Olivier , 1790)

Am 26.8.2022 wurde ein Exemplar des „Zottigen Laubholz-Schnellkäfers“ beim Lichtfang auf der Terrasse angelockt. Die schwarzen drahtwurmartigen Larven entwickeln sich in alten Laubbaumstümpfen, eventuell im Bergahorn-Hochstubben, der nur 3 m entfernt auf der Wiese steht? Die Käfer sind dämmerungs- und nachtaktiv und gut flugfähig. Bisher konnte ich die Art erst wenige Male in Nordwestsachsen finden, beispielsweise 2018 in der Elbaue bei Graditz südöstlich von Torgau und 2019 in der Göselbachaue bei Dreiskau südöstlich vom Störmthaler See jeweils in Lufteklektoren. Auch laut www.colkat.de liegen bisher nur wenige Fundmeldungen aus dem nordwestsächsischen bzw. Leipziger Raum vor. 2020 gelang dann der erste Nachweis für die Oberlausitz in der Ortschaft Pannewitz (südlich Neschwitz) bzw. konkret in einer alten Baumreihe am südlichen Ortsrand, die als Flächennaturdenkmal ausgewiesen ist, ebenfalls in einem Lufteklektor an einer Eiche. Dabei handelt es sich um ein ungewöhnlich großes Exemplar, das größer ist als das kleinste der Schwesternart Stenagostus rufus (zumindest in meiner Sammlung) und dass ich ursprünglich auch als diese Art gedeutet hatte. Nachdem es aber getrocknet war, kam die dichte, helle Behaarung bzw. die dunkle Flügeldeckenbinde zum Vorschein und bei genauem Vergleich fällt natürlich auch die andere Halsschildform auf.

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Abb. 24-05: Der Zottige Laubholz-Schnellkäfer Stenagostus rhombeus scheint in Sachsen recht selten zu sein und wurde vor 3 Jahren erstmals in der Oberlausitz und nun erstmals im zentralen Teil Sachsen gefunden (Foto: Erwin Holzer)

Rugilus similis Erichson, 1839

Drei Exemplare dieser Kurzflüglerart wurden im Auffanggefäß der Berlese-Apparatur gefunden, d.h. es stammt aus dem Laub- und Heugesiebe, dass am 31.10.2022 in die Apparatur (siehe unten) gefüllt und am 31.12.2022 geleert worden ist. Nach Auskunft vom Staphylinidenspezialisten, von Herrn Jürgen Vogel, handelt es sich um eine ziemlich seltene Art von der in den vergangenen Jahrzehnten kaum Fundmeldungen aus Sachsen registriert wurden.

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Abb. 24-06: Der Kurzflügler Rugilus similis scheint nach www.colkat.de nicht nur in Sachsen ziemlich selten nachgewiesen worden zu sein (Foto: Ivan Panacic).

Dirrhagofarsus attenuatus (Mäklin, 1845)

Im Lufteklektor, der am Bergahorn-Hochstubben angebracht war und der nach 6-wöchiger Hangzeit Ende Juni 2022 geleert wurde, konnte ein Exemplar dieser Schienenkäferart gefunden werden. Der Erstnachweis für Sachsen gelang 2010 dem Thüringer Käferexperten Andreas Weigel im Muldetal bei Klosterbuch (östlich Leisnig) in einem Lufteklektor an einer Rotbuche. Im Jahr 2020 konnte ich die Art im Waldgebiet Großholz bei Schleinitz südwestlich von Lommatzsch mit Hilfe eines Lufteklektors finden, der an einer frisch abgestorbenen Birke hing. Am 24. Juni 2022 fand ich die Art im Streitwald südwestlich von Frohburg, einerseits in großer Zahl unter der losen Rinde einer frisch abgestorbenen Birke im Unterholz eines aufgelassenen Steinbruchs und anderseits später dann beim Lichtfang, der ca. 1 km vom ersten Fundpunkt entfernt durchgeführt wurde. Wenige Tage später ist die Art dann per Lichtfang auf den Elbwiesen bei Diera-Zehren nachgewiesen worden. Eine Präferenz für Birkenholz scheint es zwar nicht zu geben, dennoch kann vermutet werden, dass die Kombination abiotischer und biotischer Faktoren die Ausbreitung dieser vormals äußerst seltenen Art gefördert hat: Primär kommt es seit einigen Jahren im Zuge der anthropogen bedingten Klimaerwärmung und der damit einhergehenden Zunahme der Zahl von Nächten mit ungewöhnlich hohen Temperaturen („tropische Nächte“) zu einer höheren Flugaktivität der Käfer. Verbunden mit der Klimaerwärmung ist eine extreme Trockenheit, die zu Vitalitätseinbußen und Absterben vieler Bäume führt und somit viel mehr Entwicklungssubstrate vorhanden sind, was die Populationsdichten der an absterbende Bäume und (frisches) Totholz gebundenen Arten erhöht. Hinzu kommt eventuell noch ein erfassungstechnischer Effekt, wegen des nun verstärkten Einsatzes von Lufteklektoren (Baumkronen-Fensterkreuzfallen) sowie Lichtfang. Diese Methoden gab es bei den altvorderen Koleopterologen noch nicht. Wahrscheinlich gelten obige Vermutungen auch für andere Eucnemidenarten, denn nach Nüssler (1994, 1996) waren bis dato nur die folgenden vier Arten aus Sachsen bekannt: Melasis buprestoides, Eucnemis capucina, Dromaelus barnabita und Hylis foveicollis sowie ein über 100 Jahre zurückliegender Fund von Isorhipis melasoides … und aktuell hat sich die Artenzahl verdoppelt. Die zuletzt genannte Art konnte Uwe Lehmann 2004 im Schlosspark Zabeltitz nördlich von Großenhain finden (Lorenz 2005) und ich 2011 in Dresden mit Hilfe eines Lufteklektors, der in einer sogenannten Totholz-Pyramide aus Lindenstämmen angebracht war sowie 2017 im NSG „Seußlitzer Gründe“ bei Diesbar-Seußlitz, wiederum mit einem Lufteklektor, der in einer Linde mit morschen Astpartien hing. Nachdem Rüdiger Peschel im Jahr 2010 in Rochsburg bei Penig Microrhagus lepidus erstmals für Sachsen nachweisen konnte (Peschel 2011), wurde die Art im Jahr 2011 in der Kleinraschützer Heide bei Großenhain mit Hilfe von Malaisefallen (Jäger et al. 2014/15) gefunden und 2014 von Werner Hoffmann und Jörg Gebert mit Leimringen an Eichen- und Pappeltotholz in Weißwasser bzw. in Hoyerswerda (Klausnitzer et al. 2018) sowie 2017 mehrfach in der Dresdener Heide wiederum mit Malaisefallen (leg. A. Reimann & O. Jäger, det. et coll. J. Lorenz). Im Jahr 2017 fand ich die Art dann auch selbst mit einem Lufteklektor, der in einer frisch abgestorbenen Rosskastanie im NSG „Seußlitzer Gründe“ bei Diesbar-Seußlitz hing. Weitere Funde kamen dann im Juni 2019 hinzu, einerseits durch Ableuchten von morschen Weiden am Elbufer in Dresden und durch Lichtfang am Rand des NSG „Windberg“ in Freital sowie im Juni 2020 mittels Klopfschirmfang im FND „Hubrigsteg“ bei Gräfenhain (Keulenberggebiet) (alle leg., det. et coll. J. Lorenz) und 2022 wiederum mit einer Malaisefalle, die auf einem stillgelegten Friedhof im Südwesten von Dresden aufgebaut war (leg. Lobin, det. et coll. J. Lorenz). Seit wenigen Jahren gibt es in Sachsen auch einen Fund von Microrhagus pygmaeus. Der Erstnachweis stammt aus dem Jahr 2012 und gelang im NSG „Burgaue“, d.h. im Leipziger Auwald, wo seit Jahren auf Dauerbeobachtungsflächen umfangreiche Erfassungen zur Insektenfauna stattfinden (Brunk 2013). Zuvorletzt soll noch Hylis olexai Erwähnung finden, von dem aus den vergangenen Jahren auch zahlreiche Fundmeldungen bekannt wurden. Diese Art konnte ich erstmals 2004 im Moritzburger Wald nachweisen und ab 2010 an über 20 Standorten in Sachsen, vor allem mit Lufteklektoren und Malaisefallen und nur wenige Male mittels Handfang. Die beiden anderen Hylis-Arten: Hylis cariniceps und Hylis foveicollis scheinen etwas seltener zu sein. Seit der Jahrtausendwende fand ich beide Art an jeweils 10 verschiedenen Lokalitäten in Sachsen.

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Abb. 24-07: Der vormals ziemlich seltene Schienenkäfer Dirrhagofarsus attenuatus scheint sich seit einigen Jahren immer weiter auszubreiten und häufiger zu werden (Foto: Vaclav Dusanek)

Limnebius aluta Bedel, 1881

Beim Lichtfang am 26. August 2022 ist ein Exemplar dieser relativ seltenen, nur reichlich 1 mm kleinen aquatisch lebenden Langtaster-Wasserkäfer-Art auf die Terrasse geflogen. Bisher liegen nach www.colkat.de nur aus der Oberlausitz wenige Fundmeldungen vor.

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Abb. 24-08: Der relativ seltene Langtaster-Wasserkäfer Limnebius aluta lebt nach Spitzenberg (2021) vorzugsweise in flachen, warmen Uferbereichen und wurde bisher nur in der Osthälfte Sachsens nachgewiesen (Foto: Klaus Bek Nielsen)

Anthracus consputus (Duftschmid, 1812)

Am 20. Juli 2022 konnte beim Lichtfang ein Exemplar dieser relativ seltenen, nur 4 mm kleinen Laufkäferart nachgewiesen werden. Nach Freude (1976) soll es sich um eine stenotope Uferart handeln. Ich konnte die Art in den vergangenen 30 Jahren an über 20 Lokalitäten in Sachsen finden, meistens beim Lichtfang. In der unmittelbaren Umgebung gibt es eigentlich keine geeigneten Gewässer mit naturnahen Flachuferzonen. Am ehesten käme das Restgewässer des Kaolintagebaus in Frage, dass sich ca. 1 km nordwestlich am Dorfrand befindet und eventuell auch für die vorher genannte Art als Lebensraum/ Entwicklungsort dient.

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Abb. 24-09: Der an Ufern gebundene Laufkäfer Anthracus consputus scheint gut flugfähig und lichtaffin zu sein und ist dadurch wahrscheinlich auch abseits seiner Entwicklungshabitate mittels Lichtfang nachweisbar. (Foto: Mark Skevington)

Neobisnius lathrobioides (Baudi di Selve, , 1848

Am 20. Juli 2022 wurde ein Exemplar dieser Kurzflüglerart beim Lichtfang auf der Terrasse erfasst. Nach Auskunft vom Staphylinidenspezialisten Herrn Jürgen Vogel gibt es bisher nur wenige Fundmeldungen aus Sachsen, v.a. aus der Oberlausitz (siehe auch: Vogel 2013), sodass die Art als ziemlich selten einzustufen ist. Für den Dresdner/Meißner Raum dürfte es der erste Nachweis sein (Vogel 2010).

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Abb. 24-10: Der seltene Kurzflügler Neobisnius lathrobioides wurde erstmals im Dresdner Raum/ Oberes Elbtal gefunden (Foto: Zoologische Staatssammlung München)

Thanatophilus rugosus (Linnaeus, 1758)

Bei der ersten Leerung des Lufteklektors Ende Mai 2022 wurde ein Exemplar des Runzeligen Aaskäfers nachgewiesen. Nach www.colkat.de gibt es von der Käferart mit der markanten Flügeldeckenstruktur in Sachsen nur wenige Fundmeldungen, so dass sie ziemlich selten zu sein scheint.

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Abb. 24-11: Vom Runzeligen Aaskäfer Thanatophilus rugosus gibt es in Sachsen nur wenige Fundmeldungen (Foto: Tommy Kästner)

Rhynchites bacchus (Linnaeus, 1758)

Am 23. Oktober 2022 wurde ein Exemplar des Purpurroten Apfelfruchtstechers gefunden. Da die Art nicht besonders häufig ist, scheint die Bedeutung als Obstschädling bisher gering zu sein (Rheinheimer & Hassler 2010).

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Abb. 24-12: Der Purpurrote Apfelfruchtstecher Rhynchites bacchus kann als einer der schönsten heimischen Rüsselkäfer i.w.S. bezeichnet werden (Foto: Marek W.Kozłowski)

Cassida hemisphaerica Herbst, 1799

Am 31. Juli 2022 wurden zwei Exemplare dieser Schildkäferart von der Vegetation geklopft. Nach Rheinheimer & Hassler (2018) soll sich die Art vor allem an Taubenkropf-Leimkraut (Silene vulgaris) entwickeln. Auf Grund der überwiegend naturschonenden Wiesenmahd mit Sense und dem stellenweisen Belassen der Wiesenpflanzen nach dem Verblühen und dem Einstreuen von wild gewonnenem Saatgut aus der Umgebung hat sich in den vergangenen 10 Jahren die vom Vorbesitzer üblicherweise artenarme, permanent gemähte Kurzrasenfläche auf dem Grundstück zu einer vielgestaltigen und recht artenreichen Blühwiese entwickelt, die offenbar diese Schildkäferart angelockt hat und ihr als Entwicklungshabitat dient.

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Abb. 24-13: Der Schildkäfer Cassida hemisphaerica entwickelt sich an Taubenkropf-Leimkraut, dass mit wildem Saatgut ausgebracht wurde und sich auf der Wiese durch eine alternierende Sensenmahd gut entwickelt hat.

Auswertung Berlese-Apparatur:

Bei einer 5-Liter-Kunststoff-Wasserflasche wurde der Boden abgeschnitten und ein Drahtgeflecht mit ca. 1 cm Maschenweite oberhalb des Flaschenhalses reingedrückt und am Schraubverschluss eine Weithals-Kunststoffflasche befestigt, die zu einem Viertel mit einer konservierenden Flüssigkeit („Renner-Lösung“) gefüllt war. Ca. 2 Liter Heugesiebe ist mit einem Käfersieb erzeugt und daraufhin vorsichtig auf dem Gitter ausgebreitet worden. Zum Schluss wurde der offene Flaschenboden mit Stoff abgedeckt und mit einem Gummiring befestigt. Diese Konstruktion wurde am 31.10.2022 im Carport aufgehängt und am 31.12.2022 abgebaut und geleert. In diesem Zeitraum ist das Gesiebsubstrat allmählich ausgetrocknet und die darin befindlichen Käfen sind entsprechend des Feuchtegradienten bzw. wegen des Austrocknens nach unten gewandert und in nachund nach in die unten angebrachte Fangflasche gefallen. Insgesamt wurden damit 48 Käferarten in 161 Individuen erfasst, u.a. auch faunistisch bemerkenswerte Arten, wie die bereits oben erwähnten Arten Rugilus similis und Stelidotes geminata aber auch weitere Arten, die nicht allzu häufig zu sein scheinen, beispielsweise der Zwergkäfer Ptenidium pusillum, die Kurzflüglerarten Micropeplus marietti, Philonthus debilis, Heterothops praevius, Quedionuchus plagiatus, Oxypoda induta, der Backobstkäfer Carpophilus hemipterus und der Schimmelkäfer Ephistemus reitteri.

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Abb. 24-14: Selbst gebauter, einfacher Berlese-Apparat zum „Austreiben“ von Gesieben aus Laub, Heu oder auch Holz, Rinde und Pilzen

Auswertung Lufteklektorfang:

Ähnlich wie schon 2014 wurde 2022 wieder mit einem Lufteklektor gefangen. Zum Vergleich werden Fotos aus beiden Jahren gegenübergestellt (Abb. 24_15). Diesmal ist die Fensterkreuzfalle Mitte April in den Bergahorn-Hochstubben gehängt und Ende Dezember wieder abgebaut worden. Die Leerungsintervalle lagen zwischen 4 und 8 Wochen. Ein paar damit nachgewiesene faunistische Besonderheiten sind oben erwähnt. Im Jahr 2022 wurden damit 115 Käferarten nachgewiesen, wobei 259 Individuen erfasst worden sind. Im Jahr 2014 waren es 112 Arten in 256 Individuen. Insgesamt beträgt die Summe beider Jahre 198 Käferarten.

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Abb. 24-15: Lufteklektor am Berg-Ahorn-Hochstubben im Jahr 2014 (links) auf der Südseite hängend und im Jahr 2022 (rechts) an der Nordseite angebracht

Ein Vergleich der Arten- und Individuenzahlen aus den Lufteklektorfängen von 2014 und 2022 und die Interpretation der Ergebnisse ist schwierig, weil einerseits unterschiedliche Konservierungsflüssigkeiten verwendet wurden (2014 war es gesättigte Benzoesäure mit etwas Detergenz und 2022 Rennerlösung bzw. ein Gemisch aus 4 Teilen Ethanol, 3 Teilen Wasser, 2 Teilen Glycerin und 1 Teil Essigsäure, die eine deutlich anziehendere Wirkung auf verschiedene Insektenarten hat) und andererseits der Zerfallsprozess des Hochstubbens/ des Holzes weiter fortgeschritten ist und damit natürlich ein anderes Artenspektrum sich etabliert haben muss. Mittlerweile ist fast die gesamte Rinde abgefallen und mehrere Starkaststummel sind abgebrochen. Zahlenmäßig wird dies u.a. sichtbar, weil nur 29 von 198 Arten in beiden Jahren nachgewiesen wurden, bzw. 85 % des Artenspektrums beider Jahre unterscheidet sich. Entsprechend der Einteilung der xylobionten Käferarten in ökologische Gilden nach Schmidl & Bussler (2004) kann diese Totholz-Sukzession gut veranschaulicht werden (Abb. 24-16). Die Zahl der Altholzbesiedler hat sich in etwa verdoppelt. Bei den Frischholzbesiedlern fällt im Jahr 2022 die große Zahl an Arten auf, die an Nadelholz gebunden sind und definitiv nicht den Bergahorn-Hochstubben als Entwicklungshabitat nutzen. Wegen des trockenheitsbedingten Absterbens der Koniferen in der Umgebung, v.a. von Fichten, gibt es hohe Populationsdichten und eine erhöhte Flugaktivität von Borkenkäfern und anderen Arten, die als „Schwächeparasiten“ infrage kommen (…um den fragwürdigen Begriff: „Schädling“ zu vermeiden, der ja primär auf den Menschen zutrifft, weil er rücksichtslos aus Ignoranz, Gier, Unwissenheit und Dummheit die natürlichen Lebensgrundlagen zerstört und primär verantwortlich ist für diese Veränderungen) und die mit den Lufteklektoren erfasst werden. Diese hohe Flugaktivität von Borkenkäfern kann seit 2018 auch beim Lichtfang beobachtet werden, weil viele Borkenkäfer lichtaffin sind.

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Abb. 24-16: Vergleich der Artenzahlen aus den Lufteklektorfängen von 2014 und 2022 entsprechend der ökologischen Gilden nach Schmidl & Bussler (2004)

Zusammenfassung nach 10 Jahren:

Die Gesamtartenzahl, die auf dem 1.000 Quadratmeter großen Grundstück nachgewiesen werden konnte, beläuft sich mittlerweile auf 1.170 Käferarten. Nach wie vor gibt es einige wenige Arten, über deren Artstatus Unklarheit besteht bzw. die derzeit noch bei Spezialisten zur Nachbestimmung sind, oder es konnten bisher keine Experten gefunden werden, die diese Arten zweifelsfrei determinieren können. Bezogen auf die unterschiedlichen Fangmethoden bedeutet dies:

  • *ZF Handfänge: 683 Arten (240 exklusive Arten)
  • Lichtfänge: 593 Arten (295 exklusive Arten)
  • Bodenfallen: 351 Arten ( 60 exklusive Arten)
  • **ZF Gesiebe: 274 Arten ( 41 exklusive Arten)
  • Lufteklektor: 207 Arten ( 21 exklusive Arten) sonstige Beobachtungen und Aufsammlungen, Streifsack, Klopfschirm/Klopfschale, Ableuchten mit Taschenlampe Heu-, Laub- und Totholzgesiebe, Berlese-Apparatur

Nach der bundesdeutschen Roten Liste (Geiser et al. 1998 (unter Einbeziehung der bereits publizierten neuen Rote Liste der Laufkäfer Deutschlands von Schmidt et al. 2016 - wodurch gegenüber der alten Roten Liste 10 ursprünglich gefährdete Laufkäferarten nun den Status ungefährdet haben) sind im Garten bisher 113 unterschiedlich stark gefährdete Arten gefunden worden. Eine ähnlich hohe Zahl an gefährdeten Arten konnte ich im Rahmen meiner Dissertation bei den dreijährigen Untersuchungen in der nördlich von Dresden gelegenen Kleinkuppenlandschaft nachweisen. Allerdings umfasst das dortige Untersuchungsgebiet 5 km² (Lorenz 1999). Auch bei einer recht umfangreichen, 3jährigen Erfassung der vorwiegend xylobionten Käferfauna im NSG „Seußlitzgrund“ einschließlich Blatterslebener Grund wurden etwas mehr als 100 Rote-Liste-Arten registriert (siehe auch 19. Beitrag in diesem Blog Lorenz vom Dezember 2020).

2x „Ausgestorben/ausgerottet/verschollen“: Synchita separanda, Ips duplicatus 10x „vom Aussterben bedroht“: Ophonus diffinis, Synchita mediolanensis, Lyctus pubescens, Euglenes pygmaeus, Neatus picipes, Corticeus fraxini, Axinopalpis gracilis, Psylliodes reitteri, Bruchidius varius, Curculio elephas; 33x „stark gefährdet“: Harpalus melancholicus, Acupalpus brunnipes, Dolichus halensis, Agyrtes bicolor, Quedionuchus plagiatus, Brachygonus megerlei, Dromaeolus barnabita, Agrilus derasofasciatus, Attagenus punctatus, Cryptophagus labilis, Cryptophagus micaceus, Cryptophagus populi, Mycetophagus salicis, Mycetophagus fulvicollis, Arthrolips obscura, Aulonium trisulcum, Symbiotes gibberosus, Sulcacis bidentulus, Gastrallus laevigatus, Dorcatoma substriata, Dorcatoma robusta, Euglenes oculatus, Hallomenus axillaris Pseudocistela ceramboides, Diaclina fagi, Uloma culinaris, Corticeus fasciatus, Oxythyrea funesta, Protaetia marmorata, Osmoderma eremita, Obrium cantharinum, Xylotrechus rusticus, Exocentrus punctipennis; Lymantor aceris 67x „gefährdet“: Stenolophus skrimshiranus, Acupalpus exiguus, Abax carinatus, Chlaenius tristis, Badister peltatus Leiodes strigipenne, Nossidium pilosellum, Siagonium quadricorne, Planeustomus palpalis, Bledius procerulus, Hypnogyra glabra, Quedius dilatatus, Agaricochara latissima, Thamiaraea cinnamomea, Dacrila fallax, Phosphaenus hemipterus, Ancistronycha erichsonii, Ebaeus flavicornis, Trichodes alvearius, Ampedus nigroflavus, Stenagostus rhombeus, Hylis olexai, Drapetes mordelloides, Scirtes orbicularis, Prionocyphon serricornis, Eucinetus haemorrhoidalis, Megatoma undata, Brassicogethes subaeneus, Thymogethes egenus, Laemophloeus monilis, Enicmus brevicornis, Latridius hirtus, Mycetophagus piceus, Synchita undata, Colydium elongatum, Novius cruentatus, Scymnus interruptus, Nephus quadrimaculatus, Vibidia duodecimguttata, Dorcatoma chrysomelina, Dorcatoma dresdensis, Oligomerus brunneus, Palorus depressus, Ptinus sexpunctatus, Calopus serraticornis, Nacerdes carniolica, Aderus populneus, Meloe proscarabaeus, Meloe rugosus, Scraptia fuscula, Anisoxya fuscula, Allecula morio, Prionychus ater, Bolitophagus reticulatus, Platydema violacea, Pentaphyllus testaceus, Corticeus bicolor, Odonteus armiger, Trichius gallicus, Sinodendron cylindricum, Cerambyx scopolii, Acanthocinus griseus, Anaesthetis testacea, Exocentrus adspersus, Exocentrus lusitanus, Phyllotreta punctulata, Pityogenes trepanatus, Lignyodes enucleator, Curculio pellitus, Tychius pusillus, Tanysphyrus ater;

Im Jahr 2022 ist die aktualisierte Fassung der sogenannten bundesdeutschen Roten Liste der Käfer publiziert worden, die seit 10 Jahren angekündigt war und wahrscheinlich wegen administrativer, bürokratischer oder sonstiger Unwägbarkeiten erst jetzt veröffentlicht wurde. Eigentlich muss sie aber eher als westdeutsche Rote Liste aufgefasst werden, weil kaum ein ostdeutscher Koleopterologe daran beteiligt wurde und deren regionalfaunistischen Kenntnisse keine Berücksichtigung fanden. Auf Grund strengerer Kriterien (Ludwig et al. 2006), die bei der alten Roten Liste von 1998 noch nicht angewandt wurden und sich an internationale Prämissen anlehnen (Iucn 2000, 2001), besitzen viele Arten nun keinen Gefährdungsstatus nach den Kategorien „1“ (= vom Aussterben bedroht), „2“ (= stark gefährdet) und „3“ (= gefährdet) mehr. Vielfach wurde auch wegen fehlender Daten (oder eher unzureichender durchgeführter Datenrecherche?) kein Gefährdungsgrad vergeben, sondern ein „D“ (= Daten unzureichend) oder ein „V“ (= Vorwarnliste) oder ein „G“ (= Gefährdung unbekannten Ausmaßes). Daraus ergibt sich folgende „neue“ Gefährdungseinstufung für die im Grundstück gefundenen Käfer:

3x „Vom Aussterben bedroht“: Ophonus diffinis, Synchita separanda, Synchita mediolanensis 12x „stark gefährdet“: Tachys fulvicollis, Harpalus melancholicus, Acupalpus brunnipes, Dolichus halensis, Mycetophagus fulvicollis, Meloe rugosus, Corticeus fasciatus, Neatus picipes, Osmoderma eremita, Longitarsus curtus, Bruchidius seminarius, Tanysphyrus ater 35x „gefährdet“: Harpalus tenebrosus, Harpalus serripes, Stenolophus skrimshiranus, Chlaenius tristis, Badister meridionalis, Badister peltatus, Bledius procerulus, Ancistronycha erichsonii, Trichodes alvearius, Ampedus nigroflavus, Brachygonus megerlei, Drapetes mordelloides, Attagenus punctatus, Corticaria saginata, Corticaria obscura, Colydium elongatum, Aulonium trisulcum, Oligomerus brunneus, Priobium carpini, Dorcatoma minor, Dorcatoma robusta, Euglenes pygmaeus, Euglenes oculatus, Meloe proscarabaeus, Hallomenus axillaris, Allecula morio, Pseudocistela ceramboides, Bolitophagus reticulatus, Pentaphyllus testaceus, Corticeus bicolor, Uloma culinaris, Cerambyx scopolii, Lema cyanella, Longitarsus pellucidus, Omiamima mollina 48x „Vorwarnliste“ (darunter 20 Arten, die bei der vorhergehenden Roten Liste eine Gefährdungseinstufung hatten und 3 Arten, die damals schon auf der Vorwarnliste standen und die restlichen 25 Arten hatten ursprünglich noch keine Gefährdungseinstufung): Carabus convexus, Notiophilus aestuans, Omophron limbatum, Dyschirius angustatus, Ophonus schaubergerianus, Ophonus melletii, Bradycellus caucasicus, Acupalpus dubius, Anthracus consputus, Abax carinatus, Agonum gracile, Amara montivaga, Amara lucida, Nossidium pilosellum, Planeustomus palpalis, Anotylus rugifrons, Platystethus capito, Bledius nanus, Scopaeus gracilis, Tetartopeus rufonitidus, Philonthus punctus, Dacrila fallax, Cardiophorus erichsoni, Hylis olexai, Hylis foveicollis, Lamprobyrrhulus nitidus, Afrogethes planiusculus, Laemophloeus monilis, Mycetophagus piceus, Platynaspis luteorubra, Dorcatoma chrysomelina, Dorcatoma substriata, Anthicus flavipes, Variimorda briantea, Orchesia micans, Prionychus ater, Palorus depressus, Stenomax aeneus, Bodilopsis sordida, Protaetia marmorata, Obrium cantharinum, Aromia moschata, Anaesthetis testacea, Exocentrus punctipennis, Lasiorhynchites caeruleocephalus, Diplapion confluens, Dorytomus nebulosus, Phytobius leucogaster 8x „Gefährdung unbekannten Ausmaßes“: Tachyusa objecta, Prionocyphon serricornis, Lamiogethes persicus, Olibrus bicolor, Mycetophagus salicis, Sulcacis bidentulus, Lyctus pubescens, Rhynchites bacchus 3x „extrem selten” Trogoderma versicolor, Axinopalpis gracilis, Lymantor aceris 23x „Daten unzureichend” Sphaeridium marginatum, Cercyon bifenestratus, Cercyon sternalis, Philonthus pseudovarians, Tachyusa concinna, Plataraea dubiosa, Calodera riparia, Cousya nigrata, Clambus pallidulus, Contacyphon ochraceus, Scirtes orbicularis, Simplocaria semistriata, Cytilus sericeus, Brassicogethes subaeneus, Epuraea biguttata, Cryptophagus uncinatus, Arthrolips obscura, Hyperaspis campestris, Cis fagi, Mordellistena purpureonigrans, Corticeus fraxini, Ips duplicatus, Curculio elephas

Anstatt über 100 unterschiedlich stark gefährdeten Arten laut der alten Roten Liste (Geiser et al., 1998) liegt die Anzahl im Jahr 2022 nach der neuen Rote-Liste nur noch 50 Arten der Kategorien „1“, „2“ und „3“. Bleibt zu hoffen, dass niemand auf die Idee kommt, das dahingehend zu interpretieren, dass sich die Gefährdungssituation der heimischen Käfer und damit die Situation von Natur und Umwelt verbessert hätte, weil es nur noch halb so viele Rote-Liste-Arten gibt 😉. Aus regionalfaunistischer Sicht und auf Grund einer 40jährigen „Käfersammelerfahrung“ sollen an dieser Stelle ein paar äußerst fragwürdige „Gefährdungseinstufungen“ diskutiert werden:

  • Beispiel 1: Bolitophagus reticulatus Die Art kann ich seit 30 Jahren regelmäßig und meist in großer Zahl an Zunderschwamm in über 200 Lokalitäten in ganz Sachsen finden. Eine Gefährdung ist zumindest was Sachsen betrifft, nicht erkennbar.
  • Beispiel 2: Protaetia marmorata: Auf Grund der vielen Juchtenkäfer-Untersuchungen in den vergangenen 2 Jahrzehnten, bei denen in erster Linie an/ in Höhlenbäumen nach Besiedlungsspuren gesucht wird, liegen relativ viele Nachweise des Marmorierten Goldkäfers vor, weil dieser oft gemeinsam mit dem Eremiten in der gleichen Baumhöhle vorkommt, da er aber weniger anspruchsvoll ist, häufiger gefunden wird. Die Zunahme der Daten/Fundmeldungen hat also nichts mit einer Verbesserung der Lebensraumsituation oder einer Zunahme der Populationsdichte zu tun, im Gegenteil: Es scheint so, als wären Höhlenbäume die größten Gefährdungen für die Sicherheit in Deutschland, die unverzüglich beseitigt werden müssen, weil es hier eine irrationale Wahrnehmung von Alltagsrisiken gibt bzw. eine realitätsferne rechtliche Auffassung bei der sogenannten Verkehrssicherheit/ Wegesicherungspflicht und überall Höhlenbäume aus fadenscheinigen Gründen gefällt werden. Insofern ist die Art durchaus und nach wie vor gefährdet, weil in immer stärkerem Maße Höhlenbäume der Säge zum Opfer fallen und die meist alten Bäume durch die extreme Trockenheit besonders große Vitalitätseinbußen und Absterberaten haben.
  • Beispiel 3: Sulcacis bidentulus: Diese Schwammkäferart habe ich seit 2016 regelmäßig an 9 Fundorten in Sachsen an/in dem Baumpilz Blasse Borstentramete (Coriolopsis trogii) gefunden, der an absterbenden Hybrid-, Schwarz- und Zitterpappeln wächst. Da vor allem die Hybridpappeln auch wegen der extremen Trockenheit zunehmend absterben, hat sich offensichtlich der Baumpilz stark ausgebreitet und mit ihm dieser Schwammkäfer. Somit ist eine „Gefährdung unbekannten Ausmaßes“ in Frage zu stellen, zumal mit einer weiteren Etablierung dieses Pilzes zu rechnen ist, weil auch das Absterben der Pappeln fortschreitet (siehe auch Bussler 2019).

Auf dem Grundstück wurden bisher 50 Arten gefunden, die laut Bundesartenschutzverordnung als „besonders geschützt“ gelten, namentlich: die 2 Sandlaufkäferarten Cicindela campestris und Cicindela hybrida, die 3 Carabus-Arten: Carabus coriaceus, C. convexus, C. nemoralis, der „Bienenwolf“ Trichodes alvearius, 33 Bockkäferarten, die 4 Prachtkäferarten Anthaxia nitidula, Agrilus derasofasciatus, Agrilus cuprescens, Trachys scrobiculata sowie der Ölkäfer Meloe proscarabaeus, die Rosenkäfer-/ Goldkäferarten Cetonia aurata, Protaetia cuprea metallica, Protaetia marmorata, der Nashornkäfer Oryctes nasicornis, der Kopfhornschröter Sinodendron cylindricum und eine Art als „streng geschützt“: der Ölkäfer Meloe rugosus.

Nach Müller et al. (2005) sind 4 „Urwald-Reliktarten“ auf dem Grundstück nachgewiesen worden: Synchita separanda, Neatus picipes, Corticeus fasciatus, Osmoderma eremita, von denen sich die drei zuerst Genannten wahrscheinlich auch auf dem Grundstück entwickeln, namentlich am/im Berg-Ahorn-Hochstubben. Der Juchtenkäfer oder Eremit (Osmoderma eremita) gilt laut des europäischen Schutzgebietssystems NATURA 2000 bzw. der FFH-Richtlinie der EU als „prioritäre Art“ des Anhanges II (Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse, für deren Erhaltung besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen) und um eine Art des Anhanges IV (Streng zu schützende Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse) und hat damit europaweit den höchsten Schutzstatus. Die auf dem Grundstück beobachteten Eremiten stammen mit großer Wahrscheinlichkeit aus der unmittelbar nordöstlich angrenzenden Streuobstwiese.

Fazit:

Am Fazit vom Mai 2022 (= „9ter Beitrag zur Coleopterenfauna im eigenen Garten“) und die dort erwähnten Anmerkungen hat sich nichts geändert:

Diese Artenvielfalt auf kleinstem Raum ist überraschend und hängt sicherlich nicht nur mit meiner intensiven Erfassungstätigkeit zusammen, sondern einerseits mit der noch vorhandenen und aktiv geförderten Strukturvielfalt auf dem Grundstück, wo sich die Natur in begrenztem Rahmen entfalten kann bzw. zugelassen wird (Belassen von Stehend-Totholz, alternierende Sensenmahd, Heuhaufen, Natursteinmauern, Verzicht auf Pestizide usw.) und andererseits mit der stellenweise noch relativ strukturreichen, näheren Umgebung (alte Streuobstwiesen, Gehölz mit alten Laubbäumen, „verwilderte“ Grundstücke) - abgesehen von einigen völlig naturentfremdeten, sterilen Grundstücken, wo alles platt gemacht wird, was auch nur ansatzweise nach heimischer Natur aussieht und die industriell und damit intensiv gedüngten und begifteten, naturfernen Ackerflächen, die wesentlich zum ökologischen Supergau beitragen.

Nach den extremen, lang andauernden trockenheißen Sommerhalbjahren 2018, 2019 und 2020 und dem „gefühlt“ fast normalen Jahr 2021 (eigentlich war das ja nicht mal ein Ausreißer, sondern immer noch deutlich über dem langjährigen Durchschnitt was die Temperatur betrifft und noch deutlicher darunter, was die Niederschläge in der Region anbelangt) muss Frühjahr und Frühsommer 2022 wiederum als extrem trocken und überdurchschnittlich warm eingestuft werden. Die damit sicherlich einhergehenden deutlicheren Veränderungen in der Käferfauna dürften also weitergehen. Wie bereits im vorigen Jahr speziell zur aquatischen Käferfauna erläutert, ist es schwierig, die Veränderungen zu verallgemeinern bzw., weil keine und diese Artengruppe meist gut flugfähig ist und bei höheren Temperaturen auch erst mal eine größere Flugaktivität vorhanden ist, was mit den Lichtfangergebnissen durchaus korreliert (siehe Pik nach unten im Jahr 2018). In Folge des vermehrten Austrocknens von Kleingewässern kommt es aber irgendwann zum Zusammenbruch der Populationen und dem Verschwinden von Arten. Wenn man die Anteile der nachgewiesenen Arten entsprechend ihrer Habitatansprüche in den vergangenen 10 Jahren betrachtet, ist eine Abnahme des Anteils von feuchtepräferenten und eine Zunahme trockenheits- und /oder wärmeliebender Arten erkennbar (Abb. 24_17). Da jedoch keine standardisierte Methode angewandt wurde, ist keine statistisch signifikante Auswertung möglich, als eindeutiger Trend kann dies aber durchaus interpretiert werden.

Abb_24_17_Trend_aquaArtenRueckgang

Abb. 24-17: Relative Anteile von hydrophilen und xero-/thermophilen Arten am Gesamtfang in den 10 Jahren

Zusammenfassendes Statement:

Es soll nicht als Widerspruch zum überall festzustellenden Artenschwund und dem Verlust an Biodiversität auf Grund der anthropogen verursachten negativen Veränderungen der Landschaft fehlgedeutet werden, wenn es hier auf lokaler Ebene offenbar noch ein Refugium der Artenvielfalt gibt und das nicht mal in einem Schutzgebiet, sondern in einem fast „durchschnittlichen“ Dorf. Gibt es noch Grund zur Hoffnung, um etwas pathetisch zu fragen? Gibt es gar keinen Artenschwund, sondern nur Panikmache von grünen Spinnern? Wird einfach zu wenig untersucht? Kann sich noch jemand bewusst daran erinnern, wie die Landschaft im Allgemeinen und die Ackersäume und Grundstücke im Speziellen vor 40 Jahren ausgesehen haben? Es gab damals weder Glyphosat noch Laubbläser, Mähroboter oder Steine hinter Gittern. Hängt der Verlust an Artenvielfalt mit der geistigen Einfalt der Leute zusammen? Es scheint, als gäbe es immer mehr Deppen (getreu dem Song von Reinhard Mey: „Irgendein Depp mäht irgendwo immer“), die vorm Haus eher Betonwüsten bevorzugen, mit flächenhaften Steinschüttungen, wo mittendrin eine fremdländische Zombie-Konifere ihr jämmerlichen Dasein fristet und hinterm Haus ein 9-Millimeter-Psychopaten-Kurzrasen vorherrscht (wobei immer mehr Mähroboter zum Einsatz kommen, die permanent jedes Grashälmchen kurzhalten, die der schmerbäuchige Besitzer in Ruhe von der Liege aus mit dem Smartphone überwacht) und an der Grundstücksgrenze ein steriler Kirschlorbeer oder doch besser eine Betonmauer oder „Steinchen hinter Gittern“ Sichtschutz bieten… wo man sich fragt, welche Auswüchse diese totale Naturentfremdung noch auf Lager hat! Andererseits scheint es aber auch immer mehr „empathische“ Leute zu geben, von denen man es gar nicht erwartet, und die haben recht vernünftige Einstellungen gegenüber Natur und deren Förderung und Schutz, auch vor der eigenen Haustür, und dass man auch im Kleinen, das heißt im eigenen Garten der Artenvielfalt eine Chance geben kann/sollte/müsste...

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