Etwa 7 km westlich von Meißen befindet sich zwischen der Ortschaft Nimtitz und dem Käbschützbachtal eine Sandgrube. Vor 20 Jahren habe ich das Gelände auf einer Radtour mit meinem Kumpel Andreas Scholz eher zufällig „entdeckt“. Am 25.05.1995 fand dort sozusagen die erste Exkursion statt. Bei sonnig-warmem Frühlingswetter ist vor allem ein großer, blühender Weißdornstrauch auf einer Ruderalfläche oberhalb der Sandgrube als markanter Anziehungspunkt in Erinnerung geblieben. Darauf tummelten sich mindestens 50 „Spanische Fliegen“ (Lytta vesicatoria) sowie mehrere Rosenkäfer (Cetonia aurata) und Buchenböcke (Cerambyx scopoli). Außerdem wurde auf dem Strauch der Schnellkäfer (Cardiophorus vestigialis) und der Kapuzinerkäfer (Bostrichus capucinus) gefunden.

 

15 Jahre später war die Kiesgrube am 13.5.2010 erneut Ziel einer Stippvisite. Das Gelände hatte sich mit dem fortschreitenden Kiesabbau deutlich geändert. Es wurde begonnen, die alten Grubenabschnitte mit Bauschutt zu verfüllen. Auch gab es keine blühenden Weißdornbüsche mehr, und durch die Sukzession waren große Teile der ausgeprägten Lehm- und Sandsteilwände der alten Grube bereits dicht bewachsen. Offensichtlich auch als eine Folge der zunehmenden Nährstoffeinträge, einerseits durch die Intensiv-Landwirtschaft und andererseits durch erhöhte Stickoxid-Emissionen wegen der Zunahme des Verkehrsaufkommens, haben sich v.a. nitrophile Pflanzenarten extrem ausgebreitet, v.a. die Brombeere. Faunistische Besonderheiten wurden nicht gefunden. Erwähnenswert sind höchstens der nicht allzu häufige Kurzflügler Lathrobium multipunctum, der unter einem Stein steckte sowie der zur Gruppe der Buntkäfer gehörende Necrobia violacea, der typischerweise an einem trockenen Vogelkadaver saß.

 

Zur dritten Begehung am 2.6.2011 wurden bei kühler Witterung und eher beiläufig nur drei Käferarten nachgewiesen, die kaum der Rede wert sind: der relativ häufig und regelmäßig auf weißen Blüten sitzende Bockkäfer Dinoptera collaris, der Blattkäfer Chrysolina hyperici, der mit großer Stetigkeit an Johanniskraut gefunden werden kann sowie der an Bärenschote lebende, auffällig metallisch blaugrün schimmernde „Bärenschoten-Spitzmausrüssler“ Pseudoprotapion astragali.

 

Am 9.5.2013 erfolgte die vierte Begehung, wobei wiederum windiges, wechselhaftes Wetter herrschte und demnach wenig faunistisch Erfolgversprechendes erwartet werden konnte. In einem mit Regenwasser gefüllten Mülleimer, der halb verschüttet in einem Dreckhaufen steckte und quasi als Bodenfalle diente, hatten sich zwei Käfer ersäuft, der kleinste Vertreter seiner Gattung, der Laufkäfer Carabus convexus sowie ein Ölkäfer (Meloe proscarabaeus) (Foto 1; dieses Tier wurde später auf der Straße unweit der Sandgrube gefunden).

Foto 1: Ölkäfer (Meloe proscarabaeus) gefunden auf der Straße bei der Ortschaft Großkargen

 

Am 14.5.2015 fand die bislang letzte, namentlich fünfte Exkursion auf dem Gelände der Sandgrube statt, diesmal bei sonnigem, frühlingshaftem Wetter. Große Teile der alten Grube sind mittlerweile mehrere Meter mit Bauschutt verfüllt und planiert worden. Dort hat sich allerdings eine Ruderalflur mit stellenweise spärlichem Bewuchs entwickelt. Einige Reste der Lehmwände wurden offen gelassen und nicht verfüllt, wahrscheinlich weil dort der Bienenfresser brütet. Ursprünglich waren die Lehmwände fast 100 m lang und bis zu 6 m hoch. Der klägliche Rest bleibt hoffentlich erhalten (Foto 2), zumal er auch für Wildbienen, Grabwespen und andere Insekten ein seltener Lebensraum ist.

Foto 2: Reste der Lehmwand in der alten Sandgrube Nimtitz Diesmal erfolgte nicht nur eine kurze Begehung mit gelegentlicher Handaufsammlung sondern eine etwa 1-stündige Sammelexkursion. Der Klopfschirm kam beispielsweise an Birken zum Einsatz, wobei der schöne Bockkäfer Saperda scalaris (Foto 3) zum Vorschein kam.

Foto 3: Leiterbock (Saperda scalaris) 

Erfolgreich war der Klopfschirmfang auch unter dichtem Waldrebengestrüpp. Es konnten sowohl der Borkenkäfer Xylocleptes bispinus nachgewiesen werden als auch sein Gegenspieler, der Plattkäfer Leptophloeus clematidis. Als weitere faunistische Besonderheit des Klopffanges kann der in Sachsen wohl nur im wärmebegünstigten Elbtal vorkommende Rüsselkäfer Otiorhynchus fullo angesehen werden (Foto 4).

 

Foto 4: Eine Seltenheit: Dickmaulrüssler Otiorhynchus fullo

Mittels Streifsack wurde die Vegetation der Ruderalflur abgekeschert, wobei einige nicht allzu häufige Rüsselkäferarten erbeutet wurden, beispielsweise der an Echter Kamille lebende Pseudostyphlus pillumus, der wahrscheinlich an Feldklee lebende Tychius pusillus, der an Bauernsenf lebende Ceutorhynchus pumilio sowie der an verschiedenen Korbblütengewächsen lebende Cyphocleonus dealbatus. Außerdem kann ein Erstnachweis für die Käferfauna Sachsens gemeldet werden, der zur Familie Scheinstachelkäfer gehörende Anaspis palpalis (Foto 5).

 

Foto 5: Erstnachweis für Sachsen: Anaspis palpalis

Auf einem blühenden Weißdornstrauch wurden leider keine Spanischen Fliegen mehr gefunden, wie vor 20 Jahren, jedoch mehrere andere laut Bundesartenschutzverordnung gesetzlich geschützte Arten, wie z.B. der Bockkäfer Anaglyptus mysticus, der Gemeine Rosenkäfer Cetonia aurata und der Prachtkäfer Anthaxia nitidula. Weiterhin erwähnenswert ist beispielsweise der Trauer-Rosenkäfer Oxythyrea funesta, der vor 20 Jahren erstmals in Sachsen gefunden wurde und sich seitdem überall ausgebreitet hat (Klausnitzer 1995, Lorenz 1996, Zinke 1997, Dietrich & Bräuer 2010, Wallberg & Schiller 2010, Jentzsch & Auferkamp 2012, Jäger et al. 2013, Neumann et al. 2014). Außerdem sollen der als „Bienenwolf“ bezeichnete Buntkäfer Trichodes alvearius (Foto 6) genannt werden sowie die relativ seltene Speckkäferart Attagenus punctatus und nicht zuletzt der Stachelkäfer Mordellistena brevicauda.

 

Foto 6: Bienenwolf (Trichodes alvearius)

An der Böschungsunterkante wurde dann die Nachkommenschaft eines oben bereits genannten Ölkäfers gefunden (mit großer Wahrscheinlichkeit gehören die Larven zu Art M. proscarabaeus). Hunderte der orangegelb gefärbten Triungulinus-Larven krallten sich zu fingerkuppengroßen Aggregationen an die Spitzen einiger Grashalme und Kräuter (Foto 7 und 8). Laut einer Deutung dieses Verhaltens, sollen sie damit eine Blüte imitieren, um Bienen anzulocken (Klausnitzer 2004). Entsprechend ihrer Biologie müssen die Ölkäferlarven die Vegetation erklimmen und auf einer Blüte auf eine Wildbiene warten, um sich daran festzukrallen, damit sie diese zum Nest transportiert, in dem die weitere Entwicklung der Ölkäferlarve stattfindet. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies so funktioniert, ist allerdings sehr gering. Die Natur hat die Ölkäfer deshalb mit einer großen Fruchtbarkeit ausgestattet, d.h. ein Weibchen legt Hunderte von Eiern. Offenbar sind die Larven auf den Fotos 7 und 8 alle Geschwister J.

 

Foto 7: Triungulinus-Larven-Aggregation auf Kleblabkraut

Foto 8: Triungulinus-Larven-Nahaufname (die Larven sind etwa 2-3 mm lang)

 

Literatur

Dietrich, W. & Bräuer, S. (2010): Nachweise von Oxythyrea funesta im Erzgebirge/ Krusne hory (Coleoptera, Scarabaeidae) – Entomologische  Nachrichten und Berichte 3-4, : 258-259

Jäger, O., Lorenz, J. & Reike, H.-P. (2013): Bericht über das 3. Treffen ostsächsischer Koleopterologen (Col.). – Mitteilungen Sächsischer Entomologen, Band 32 (Nr. 103): 25-28.

Jentzsch, M. & Auferkamp, K. (2012): Trauer-Rosenkäfer Oxythyrea funesta (Poda von Neuhaus, 1761) bei Meißen und Dresden (Col., Scarabaeidae) – Entomologische Nachrichten und Berichte 56 (1), : 69

Klausnitzer, B. (1995): Kommentiertes Verzeichnis der Blatthornkäfer und Schröter (Col., Trogidae, Geotrupidae, Scarabaeidae, Lucanidae) des Freistaates Sachsen. – Mitteilungen Sächsischer Entomologen, Nr. 31: 4-10.

Klausnitzer, B. (2004): Bemerkungen zur Biologie und Verbreitung einiger Meloidae (Col.) in Mitteleuropa. – Entomologische Nachrichten und Berichte, 48 (3/4): 261-267.

Lorenz, J. (1996): Oxythyrea funesta (Poda) in Dresden gefunden. – Entomologische Nachrichten und Berichte 40 (3), : 185

Neumann, V. & Süssmuth, Th. & Thurow, A. (2014): Der Trauer-Rosenkäfer Oxythyrea funesta (Poda, 1761) (Coleoptera, Scarabaeidae, Blatthornkäfer) in Sachsen du Sachsen-Anhalt – Entomologische Nachrichten und Berichte 58/3, : 199-200

Nüssler, H. (1974): Die Rosenkäferarten Sachsens (Col., Scarabaeidae) – Naturschutzarbeit und naturkundliche Heimatforschung in Sachsen  16/2, 72-78

Wallberg, U. & Schiller, R. (2010): Trauerrosenkäfer (Oxythyrea funesta (Poda von Neuhaus, 1761) in Leipzig. – Entomologische Nachrichten und Berichte 2, : 149

Zinke, J. (1997): Oxythyrea funesta (Poda). – Entomologische Nachrichten und Berichte 41 : 212

 

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