Nachweis von Hymenophorus doublieri Mulsant, 1851 im sächsischen Elbsandsteingebirge

Von 2005 bis 2007 führte ich im Auftrag der Nationalparkverwaltung Erfassungen zur xylobionten Käferfauna in unterschiedlichen Waldbiotopen der Sächsischen Schweiz durch. In den drei Jahren wurden fast 800 Käferarten nachgewiesen, darunter 410 xylobionte Arten, u.a. vier Neufunde für die sächsischen Fauna sowie 7 Urwald-Reliktarten (Lorenz 2005, 2006, 2007, 2010, Klausnitzer et al., 2012). Leider sind die Ergebnisse seitens des Auftraggebers in Gänze nie publiziert worden, weil es offensichtlich von der Nationalparkverwaltung kein Interesse oder finanzielle Mittel gab, zumal die im Abschlussbericht geäußerten Vorschläge für Schutz-, Erhaltungs- und Fördermaßnahmen nicht ins politisch-ideologisch (manchmal etwas) fragwürdige Nationalparkkonzept der forstwirtschaftlich geprägten Leitung passte. Aber dass soll hier nicht weiter vertieft werden… Es gibt jedenfalls hervorragende Publikationen aus anderen Nationalparks, beispielsweise über Libellen und Webspinnen (Nationalparkverwaltung Harz, 2014, Schikora 2015).

Um ein möglichst breites Spektrum an Arten nachweisen zu können, wurden damals mehrere Erfassungsmethoden durchgeführt. Neben Handfängen und Lufteklektoren kamen auch Gelbschalen zum Einsatz. Diese wurden im Jahr 2006 an exponierten, mehr oder weniger besonnten Stellen an den Felsoberkanten positioniert, quasi im sogenannten Kiefern-Riffwald.

In der Nähe vom „Steinernen Tisch“ unweit der touristisch bekannten Bastei-Felsformation oberhalb von Kurort Rathen ist im Erfassungszeitraum 26.6. - 14.7.2006 in einer Gelbschale u.a. ein Käfer gefangen worden, den ich damals als Gonodera luperus (Herbst, 1783) bestimmt hatte, einer nicht allzu seltenen Art, die an strukturreichen Waldrändern mit dem Klopfschirm immer mal wieder gefunden werden kann und auch per Lichtfang und Lufteklektoren nachweisbar ist. Das eine Exemplar aus der Gelbschale wurde präpariert, weil es Zweifel an der Bestimmung gab, aber ich vorerst mit der Determination nicht weiterkam. Später fiel mir das Tier beim Vergleich bzw. der Bestimmung anderer Arten wieder auf und ich bemerkte, dass es definitiv nicht Gonodera luperus sein kann. Obwohl weiter Zweifel bestanden, schrieb ich auf das Namensetikett Hymenalia rufipes, weil mir dies am ehesten plausibel erschien, hatte aber kein Vergleichsmaterial und steckte es verkehrt herum in die Sammlung, damit auffällt, dass da was nicht stimmt. Leider ist auf diese Weise eine Falschmeldung sowohl in den Online-Katalog „colkat“ als auch bei „Insekten-Sachsen“ geraten.

Ende Juli dieses Jahres fielen mir bei einem Lichtfang am Göhrisch nordwestlich von Meißen ein paar Käfer auf, die ich auf den ersten Blick als dunkle Form von Pseudocistela ceramboides (Linnaeus, 1761) gedeutet hatte, der regelmäßig am Licht gefangen werden kann, nahm aber zwei Tiere mit. Am Mikroskop stellt sich dann heraus, dass es sich tatsächlich um „echte“ „Hymenalia rufipes handelt, und beim Vergleich mit dem vermeintlichen Tier aus der Sächsischen Schweiz offensichtlich wurde, dass dies was ganz anderen sein muss, auf jeden Fall kein Hymenalia. Nach längerem Hin und Her und auch nach einer Bildrecherche im Internet bliebt eigentlich nur noch Hymenophorus doublieri* Mulsant, 1851 übrig. Im Online-Verzeichnis der Käfer Deutschlands (colkat.de) ist die Art jedoch gar nicht gelistet, und im Bestimmungsschlüssel steht zur Verbreitung: „In S.- und M.E. sehr sporadisch und s., außerdem einige Reliktvorkommen im südl. NE.; in unserem Faunengebiet nur in Kärnten und Ostpreußen.“ (Zit.: Freude, Harde, Lohse (1969), Band 8, S. 219), sodass ich wieder stutzig wurde, weil, wenn sich die Bestimmung bestätigen sollte, es sich um einen Erstnachweis für die Bundesrepublik Deutschland handeln würde, was ja im gut durchforschten Deutschland kaum noch der Fall sein dürfte.

Ein Vergleich mit den einzigen zwei Tieren aus der Sammlung des Senckenberg Museum für Tierkunde Dresden bestätigte letzten Endes die Bestimmung. Freundlicherweise hat Olaf Jäger am Museum ein Foto angefertigt (Danke an dieser Stelle), dass an befreundete Entomologen geschickt wurde, wobei Ronny Gutzeit, Dr. Hans-Peter Reike, Andreas Weigel, Uwe Hornig, Claus Wurst und Frank Lange (vielen Dank an alle für Ihre kurzfristige Unterstützung!) auch auf diese Art plädierten. Ein E-Mail-Kontakt mit dem tschechischen Alleculiden-Spezialisten Herrn Vladimir Novak kam leider nicht zu Stande. Dennoch dürfte es nunmehr nach vielen Irrungen und Wirrungen keine Zweifel mehr geben, dass das Tier aus der Sächsischen Schweiz Hymenophorus doublieri Mulsant, 1851 ist. Herr Frank Lange teilte mir mit, dass er die Art aus rotfaulem Kiefernholz gezüchtet hat, welches aus Südeuropa stammt. Insofern dürfte dies entsprechend der Ökologie auch passen, zumal die Kiefern-Riffwald-Streifen im Elbsandsteingebirge sicherlich eine lange Biotoptradition besitzen und es sich um autochthone Kiefern handelt. An dieser Stelle soll auf eine reliefbedingte, lokalklimatische Besonderheit hingewiesen werden: die sogenannte Höhenstufenumkehr. Die südexponierten Kiefern-Riffwälder stocken in Höhen von 300 bis 400 m ü. NN. Es herrschen aber sehr trockenwarme Bedingungen vor, während unten in den beschatteten Schlüchten in 200 m ü. NN es extrem kühl-feucht ist und montane klimatische Verhältnisse vorhanden sind, mit autochthonen Fichten.

Abb. 21-01: Hymenophorus doublieri Mulsant, 1851 (Foto: O. Jäger, Senckenberg Museum für Tierkunde Dresden)

Literatur:
  • Freude, H., Harde, K. W. & G. A. Lohse (1969): Die Käfer Mitteleuropas. Band 8, Teredilia, Heteromera, Lamellicornia. - Verlag Goecke & Evers, Krefeld. 388 S.
  • Klausnitzer, B., Hornig, U., Lorenz, J., Gebert, J., Hoffmann, W., Sieber, M. & W. Richter (2012): Zur Kenntnis der Käferfauna Sachsens (Coleoptera). - Entomologische Nachrichten und Berichte, 56 (2): 109-122.
  • Lorenz, J. (2005): Neu- und Wiederfunde von Käferarten (Coleoptera) für die Fauna Sachsens sowie weitere faunistisch bemerkenswerte Käfernachweise 2002-04. - Entomologische Nachrichten und Berichte, 49 (3-4): 195-202.
  • Lorenz, J. (2006): Erfassungen zu Holz- und Pilzkäferfauna in ausgewählten Waldbiotopen im Nationalpark Sächsische Schweiz und naturschutzfachliche Analyse der Ergebnisse aus den Jahren 2005 und 2006. – unveröff. Bericht im Auftrag der Nationalparkverwaltung Sächsische Schweiz. 64 S.
  • Lorenz, J. (2007): Erfassungen zu Holz- und Pilzkäferfauna in ausgewählten Waldbiotopen im Nationalpark Sächsische Schweiz und naturschutzfachliche Analyse der Ergebnisse im Untersuchungsjahr 2007 unter Einbeziehung der Ergebnisse von 2005 und 2006 – unveröff. Abschlussbericht im Auftrag der Nationalparkverwaltung Sächsische Schweiz. 36 S.
  • Lorenz, J. (2010): „Urwaldrelikt“-Käferarten in Sachsen (Coleoptera part.). – Sächsische Entomologische Zeitschrift 5: 69-98.
  • Nationalparkverwaltung Harz (Hrsg.) (2014): Die Libellen des Nationalpark Harz. Schriftenreihe aus dem Nationalpark Harz, Band 11. 212 S.
  • Schikora, H.-B. (2015): Die Webspinnen des Nationalpark Harz. Schriftenreihe aus dem Nationalpark Harz, Band 13. 371 S.

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