Vorbemerkungen (je ein Zitat aus den vier vorangegangenen Beiträgen zur „Haus- und Hofkäferfauna“ 2013 bis 2016):
„…Ende 2013 berichtete ich im Beitrag: „Was kräucht und fleucht um Haus und Hof – Teil 1“ über die Käfer, die ich im Laufe des Jahres auf dem Grundstück nachgewiesen hatte. Bei gelegentlichen „Gartenexkursionen“, bei gezielten Beobachtungen der Vegetation und bei mehreren Lichtfängen waren etwas mehr als 300 Käferarten zusammengekommen…“
„…Im Jahr 2014 packte mich der Ergeiz und ich intensivierte die Käfererfassungsaktivitäten, indem ich vier Bodenfallen eingrub und alle 14 Tage leerte, eine Fensterkreuzfalle aufhängte und wiederum mehrere Lichtfänge machte. Am Ende des Jahres sind fast 500 Käferarten zusammengekommen, von denen wiederum fast 300 Arten neu waren, d.h. diese 300 Arten hatte ich im Jahr zuvor noch nicht gefunden. Somit sind nach zweijährigem Untersuchungszeitraum etwa 610 Käferarten auf dem Grundstück nachgewiesen worden. Die Ergebnisse sind im Beitrag „Was kräucht und fleucht um Haus und Hof – Teil 2“ dargestellt…“
„…Im Jahr 2015 gingen die Erfassungen mit geringerem Aufwand weiter. Wiederum spazierte ich besonders aufmerksam in den „eigenen vier Zäunen“ umher und alles, was mir an Käfern über den Weg lief, vors Auge flog sowie an der Hauswand oder auf der Vegetation saß, wurde bestimmt und dokumentiert, und falls es unbekannt oder auf den ersten Blick schwer erkennbar war, wurde es genauer unter die Lupe genommen. Zudem ist von Mitte Juni bis Mitte Oktober eine Bodenfalle auf der Wiese unter einem extra belassenen Heuhaufen und eine weitere Bodenfalle mitten im Komposthaufen eingegraben und alle 14 Tage geleert worden. Auch führte ich wieder mehrere Lichtfänge durch. Das Ergebnis am Ende Jahres: 360 Käferarten, darunter 110 neue Arten, d.h. sie wurden in den beiden Jahren zuvor noch nicht nachgewiesen (siehe auch: Beitrag „Was kräucht und fleucht um Haus und Hof – Teil 3“)...“
„…Auch in diesem Jahr 2016 wurde die Käferfauna des Grundstücks aufmerksam beobachtet und dokumentiert. Die Fangmethoden waren wiederum das gelegentliche Aussieben von Heu- und Laubhaufen, Klopfschirm- und Kescherfänge sowie Lichtfänge. Außerdem wurde im April und im Juni eine Bodenfalle im Kompost eingegraben und wöchentlich geleert. Am Ende des Jahres sind wieder über 300 Arten nachgewiesen worden mit immerhin fast 80 Neunachweisen, d.h. sie wurden in den drei Jahren zuvor noch nicht gefunden. Innerhalb von vier Jahren sind demnach 800 Käferarten auf dem 1000 qm großen Grundstück gefunden worden! Somit konnten fast 20 % der Arten nachgewiesen werden, die aktuell für ganz Sachsen gemeldet sind…“ (siehe auch: Beitrag „Was kräucht und fleucht um Haus und Hof – Teil 4“)
Im Jahr 2017 gingen die Erfassungen zur Käferfauna des Grundstücks weiter. Die Fangmethoden und der Erfassungsumfang war ähnlich wie in den Vorjahren, d.h. Handfänge, Heu- und Laubgesiebe, 4 Lichtfänge sowie der gelegentliche Einsatz von Streifsack und Klopfschirm. Zudem gab es wieder Bodenfallenerfassungen von Mai bis Juli. Eine Bodenfalle wurde auf der Wiese am Stammfuß des Bergahorn-Hochstubbens eingegraben, was in etwa dem Bodenfallenstandort 2 aus der Erfassung von 2014 entsprach und die andere Bodenfalle auf einer Brache im Südwesten des Grundstücks, d.h. am Bodenfallenstandort 4 aus dem Jahr 2014. Am Ende der Fangsaison 2017 sind 396 Käferarten nachgewiesen worden, darunter etwa 60 Arten, die in den vier vorhergehenden Jahren noch nicht gefunden wurden.
Damit erhöht sich die Gesamtartenzahl, die innerhalb von 5 Jahren auf dem 1000 qm großen Gartengrundstück nachgewiesen werden konnten auf 860 Käferarten!
Von den Neufunden sollen im Folgenden acht faunistisch interessante Arten ausführlicher erläutert werden:
Von dieser recht auffälligen Art (Abb. 13-1) gibt es nur wenige Fundmeldungen aus dem Westen Deutschlands, beispielsweise aus Baden, Hessen und der Pfalz sowie aus den nördlichen bzw. östlichen Bundesländern Niedersachsen, Brandenburg/Berlin und Sachsen-Anhalt (siehe: www.colkat.de). In Sachsen gibt es eine recht aktuelle Meldung von 2008 aus Weißwasser von Max Sieber (KLAUSNITZER et al., 2009) sowie vom 24.9.2014 bei der Ortschaft Salbitz südwestlich von Stauchitz (zwischen Riesa und Döbeln) von Angela Kühne, der an dieser Stelle für die genaue Übermittlung ihres Fundes gedankt sei und aus dem Jahr 2016 aus der Muldeaue bei Hohenprießnitz nördlich von Eilenburg von Micha Happ. Beim Lichtfang am 30. August 2017 auf der Terrasse flogen 3 Exemplare ans Tuch. Obwohl die Datenlage noch recht dürftig ist, liegt natürlich die Vermutung nahe, als scheine sich die Art auszubreiten, evtl. auch als Folge der anthropogen verursachten Klimaerwärmung, da es sich um eine südliche Art handelt.
Abb. 13-1: Curculio elephas beim Lichtfang am 30.8.2017
Ein Exemplar dieser offenbar erstmals in Sachsen nachgewiesenen Art wurde an einem warmen Juniabend 2017 während des Schwärmfluges erwischt (Abb. 13-2). Wahrscheinlich handelt es sich um ein verschlepptes Tier aus Südwestdeutschland, denn im zeitigen Frühjahr dieses Jahres hab ich bei einem Kurzurlaub in der Pfalz ein paar alte Rebstöcke mitgenommen und im heimischen Garten für Dekorationszwecke aufgestapelt. Eine andere „Fremdquelle“ könnten Teile eines hohlen Apfelbaumes sein, der dem Bahnprojekt Stuttgart21 an der A8 bei Wendlingen zum Opfer gefallen war. Zwei Stammringstücke, die normalerweise geschreddert worden wären, hab ich mitgenommen, um sie im eigenen Garten zur Dekoration aufzustapeln.
Abb. 13-2: Trogoxylon impressum (©JOHANNES REIBNITZ)
Am 1 Juni 2017 konnte ein Exemplar dieser im Vergleich zu vielen anderen Anaspis-Arten wegen der dunklen Flecken leicht kenntlichen Art im Garten nachgewiesen werden (Abb. 13-3). Laut des Verzeichnisses der Käfer Deutschlands (KÖHLER & KLAUSNITZER 1998) waren bis auf Sachsen aus allen Bundesländern Funde gemeldet worden. Der Erstnachweis für Sachsen gelang 2010 von Wolfgang Richter bei Leipzig (KLAUSNITZER et al., 2009), und ein weiterer Fund ebenfalls aus der Umgebung von Leipzig stammt aus dem Jahr 2012, gemeldet von Weidlich (KÖHLER 2013). Somit könnte es sich beim diesjährigen Fund um den dritten Nachweis in Sachsen handeln.
Abb. 13-3: Anaspis maculatus (©DAVID FENWICK)
Der Zweipunkt-Marienkäfer gehört neben dem Siebenpunkt eigentlich zu den bekanntesten heimischen Marienkäferarten, die früher überall und regelmäßig zu finden waren (Abb. 13-4).
Abb. 13-4: Adalia bipunctata (Helle und dunkle Farbvariante)
Neuerdings scheint der Zweipunkt aber seltener zu werden bzw. gebietsweise völlig verschwunden zu sein. Das Phänomen wird auch in Fachzeitschriften publiziert und diskutiert (KLAUSNITZER 2017). Als Ursache wird u. a. eine Infektion mit Mikroorganismen vermutet, die vom eingeschleppten Asiatischen Marienkäfer (Harmonia axyridis) übertragen werden, der resistent dagegen ist. Diese sich seit Anfang der 2000er Jahre in ganz Europa invasiv ausbreitende Marienkäferart fand ich im Jahr 2006 das erste Mal in Sachsen und seitdem regelmäßig und in großer Zahl. Ein Blick in meine Datenbank erbrachte folgende Funddaten für beide Arten (Abb. 13-5).
Abb. 13-5: Funddaten von Adalia bipunctata und Harmonia axyridis laut eigener Datenbank
Die meisten Nachweise des Zweipunktes stammen aus den Jahren 1992, 1993 und 1994, wo ich im Rahmen meiner Dissertation umfangreiche Erfassungen von Käfern in der Kleinkuppenlandschaft nördlich von Dresden durchgeführt hatte. Bei diesen Untersuchungen wurden mittels verschiedener Methoden, wie Bodenfallen, Gelbschalen sowie Kescher- und Klopfschirmfängen die Käferfauna einer relativ strukturreichen Agrarlandschaft erfasst, um zu überprüfen, ob inseltheoretische Aspekte (nach MACARTHUR & WILSON 1967) auch auf Feldgehölze in der Agrarlandschaft zutreffen (LORENZ 1999). In den drei Jahren wurden u. a. etwa 100 Zweipunkt-Marienkäfer erfasst. In den darauffolgenden Jahren sind bei ziemlich aktiver koleopterologischer Tätigkeit zumindest immer mal wieder einzelne Tiere dokumentiert. Seit 2013 gelang aber kein Nachweis mehr.
Im September 2017 wurde das „Verschwinden“ des Zweipunktes dann auch in unserer Dresdner Fachgruppe Entomologie diskutiert, wobei sich keiner der Anwesenden an einen aktuellen Fund oder einen Nachweis in den vergangenen Jahren erinnerte.
Üblicherweise nimmt man häufige und allgemein bekannte Arten kaum zur Kenntnis bzw. dokumentiert ihre Vorkommen nicht explizit. Zudem stehen Käfer kaum im Fokus freilandökologischer und naturschutzfachlicher Forschungen. Am ehesten gibt es noch Erfassungen zu Laufkäfern, aquatischen (Wasser bewohnend) oder xylobionten Arten (Bindung an Holz und Baumpilze), wobei man sich bei der zuletzt genannten Gruppe meist nur auf den Juchtenkäfer (Osmoderma eremita) beschränkt. Der Zweipunk gehört zu keiner der ökologisch relevanten Gruppen. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass es vor seinem „Fast-Verschwinden“ nur wenige Datensätze und Fundmeldun-gen gibt. Etwas überrascht und hoch erfreut war ich dann am 13.10.2017 als ich bei sonnigem Herbstwetter an der Hauswand einen Zweipunkt-Marienkäfer zwischen mehreren Asiatischen Marienkäfern entdeckte. Den ersten Zweipunkt seit 5 Jahren und den ersten auf dem Grundstück, auf dem die letzten Jahre wirklich eine nahezu vollständige Erfassung und Dokumentation aller Käfer stattgefunden hat! Einen direkten Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt seit der invasiven Ausbreitung von Harmonia axyridis und dem scheinbaren Verschwinden von Adalia bipunctata ist aus obigen Daten (Abb. 14-5) nicht erkennbar. Dennoch kann man zumindest den Rückgang des Zweipunktes nicht von der Hand weisen. Sicherlich erhält er nun eine große Aufmerksamkeit, die zu einer besseren Datenlage führen wird und evtl. dazu, das er scheinbar häufiger wird, nur weil er im Fokus der Öffentlichkeit steht?
Die historischen Kenntnisse zum Vorkommen dieser kleinen und unscheinbaren Schienenkäferart (Abb. 13-6) in Sachsen beschränkten sich auf jeweils einen Fund bei Leipzig (Connewitzer Holz), einen Fund bei Obercrottendorf (Erzgebirge) (alle vor 1950) sowie einen Fund bei Kurort Rathen (Sächsische Schweiz) aus dem Jahr 1978 (NÜSSLER 1994, 1996).
Abb. 13-6: Dromaeolus barnabita (© LECH BOROWIEC)
Im Jahr 2005 findet Andreas Weigel die Art mit Hilfe eines Lufteklektors bei Guttau im Oberlausitzer Heide- und Teichgebiet (WEIGEL 2005). Ein weiterer Fund aus diesem Gebiet bei Leipgen wird 2008 von Michael Krahl gemeldet (KLAUSNITZER et al. 2009). Die eigenen Funde sind in Abb. 13-7 aufgelistet.
Abb. 13-7: Funddaten von Dromaeolus barnabita aus der eigenen Datenbank
Am 27.7.2017 konnte ich die Art erstmals per Handfang im Garten nachweisen – wahrscheinlich großer Zufall? Die Art hatte ich bisher immer nur mittels der Lufteklektoren an verschiedenen Baumarten gefunden, beispielsweise Eiche, Linde, Ulme, Buche, Erle, Zitterpappel. Insofern stellt sie offenbar keine engen Ansprüche an die Fraßpflanze. Nach KOCH 1989 soll sie an dürre Laubholzäste gebunden sein.
Wie schon aus dem Namen hervorgeht, dürften Malven zu den bevorzugten Fraßpflanzen dieser Rüsselkäferart gehören (Abb. 13-8). Nach dem Verzeichnis der Käfer Deutschlands (KÖHLER & KLAUSNITZER 1998) gibt es nur eine über 100 Jahre alte Meldung aus Sachsen. Im Jahr 2005 gelang ein erster aktueller Fund nahe der Ortschaft Ammelgoßwitz bei Torgau in Nordsachsen (HARDTKE 2006). 2006 wurde die Art dann auch von Wolfgang Hoffmann in der Oberlausitzer Bergbauregion bei der Ortschaft Rohne westlich von Weißwasser nachgewiesen.
Abb. 13-8: Malvapion malvae (©JOHANNES REIBNITZ)
Am 29.5.2017 fand ich die Art abends auf der Terrasse beim Lichtfang. Wahrscheinlich handelt es sich erst um den dritten Nachweis in Sachsen. Eine Einschleppung mit Malvenpflanzen oder -samen ist nicht auszuschließen. Bereits am 15.10.2016 konnte ich drei andere an Malven gebundene Apioniden-Arten auf dem Grundstück durch Klopffang an nur einer großen Malvenpflanze nachweisen: Aspidapion aeneum, A. radiolus, A. validum (Abb. 13-9). Im Frühjahr 2017 wurden dann weitere Malvenarten eingepflanzt und ausgesät, und in diesem Jahr wurden auch wieder alle drei oben genannten Aspidapion-Arten bei gelegentlichen Klopffängen gefunden. Angela Kühne fand ein Exemplar des „Zweifarbigen Malven-Spitzmausrüsslers“ am 25.06.2016 am Ufer der Mulde bei der Ortschaft Hohenprießnitz, ungefähr zwischen Eilenburg und Bad Düben.
Abb. 13-9: An Malven gebundene Rüsselkäferarten: Aspidapion radiolus, A. aeneum, A. validum (©JOHANNES REIBNITZ)
Der Juchtenkäfer oder Eremit, der früher auch Aprikosenkäfer genannt wurde, gilt aus naturschutzfachlicher und rechtlicher Sicht als äußerst brisante Art, weil er entsprechend der im Jahr 1994 von der Europäischen Union beschlossenen FFH-Richtlinie als sogenannte „prioritäre Art“ des Anhangs II den höchsten Schutzstatus besitzt (Abb. 13-10). Es sind sowohl die Käfer und die Entwicklungsstadien geschützt als auch der konkrete Lebensraum: morsche, alte Bäume mit Mulmhöhlen, in dem sich die Larven entwickeln.
Abb. 13-10: Juchtenkäfer (Osmoderma eremita) und Larven aus einem hohlen Obstbaum bei Meißen
Der Juchtenkäfer ist laut der Roten Liste stark gefährdet und hat im oberen Elbtal zwischen Pirna, Dresden, Meißen und Riesa einen Verbreitungsschwerpunkt. Wahrscheinlich nirgendwo sonst in Europa wurden in den vergangenen Jahren so viele Brutbäume nachgewiesen wie hier. Mindestens 1000 Brutbäume sind bisher dokumentiert (LORENZ 2013). Der jetzige Heimatort Löthain südwestlich von Meißen liegt mitten in diesem Verbreitungsgebiet (Abb. 13-11).
Abb. 13-11: Übersichts- und Detailkarte von Juchtenkäfervorkommen im oberen Elbtal (rote Punkte: Nachweis von konkreten Besiedlungsspuren des Juchtenkäfers (Osmoderma eremita); orange Punkte: potenzielle Vorkommen, d.h. es sind zumindest Besiedlungsspuren von anderen Mulmhöhlen besiedelnden Arten, wie z.B. Marmorierter Goldkäfer (Protaetia marmorata) gefunden wurden; gelbes Dreieck: Standort des Grundstücks)
In einigen der umliegenden, inzwischen immer lückiger werdenden Obstbaumalleen konnte ich den Juchtenkäfer schon nachweisen. Diese Funde gelingen normalerweise nur, indem man die Käfer an/in den Baumhöhlen beobachtet oder vorsichtig im Mulm wühlt, um Kokons, Larven, Kotpillen der Larven oder Chitinreste nachzuweisen. Nach 20jähriger Forschung und dem Nachweis von einigen Hundert lebenden Käfern kann ich mich nur an 5 Fälle erinnern, an denen ein Juchtenkäfer fliegend beobachtet werden konnte. Insofern scheint die Art nicht gerade besonders flugaktiv zu sein.
Am 22.7.2017 fand ich dann ein Weibchen des Juchtenkäfers in der Einfahrt des Grundstückes auf dem Boden sitzend. Mit großer Wahrscheinlichkeit stammt das Tier von der östlich angrenzenden Streuobstwiese, d.h. es muss aufs Grundstück geflogen sein. Auf der nur 20 m entfernten Streuobstwiese gibt es noch einige alte Apfel- und Kirschbäume, bei denen Höhlen oder zumindest morsche, hohle Stammpartien sichtbar sind. Da diese Streuobstwiese eingezäunt und mit Schafen beweidet ist, kann ich sie nicht ohne weiteres betreten. Insofern sind die Bäume bisher nicht genauer untersucht worden.
Am 29.5.2017 konnte ein Männchen und ein Weibchen dieser Art beim Lichtfang auf der Terrasse gefunden werden. Der nur 3 mm kleine, unscheinbare Baummulmkäfer gilt laut der bundesdeutschen Roten Liste als „vom Aussterben bedroht“, und es gibt nur wenige Fundmeldungen aus Sachsen (Abb. 13-12).
Abb. 13-12: Baummulmkäfer Euglenes pygmaeus (©NICHOLAS GOMPEL)
Die bisherigen eigenen Nachweise sind aus Abb. 13-13 ersichtlich. Die enge Bindung an alte morsche Bäume kann mit den Nachweisen in den Lufteklektoren gut nachvollzogen werden. Auf Grund der Nachweise bei Lichtfängen ist eine ausgeprägte Flugaktivität und Lichtaffinität offensichtlich. Der Fund auf dem Osterzgebirgskamm bei Zinnwald in der Nähe des NSG „Georgenfelder Hochmoor“ dürfte diesbezüglich aber als etwas ungewöhnlich eingeschätzt werden, denn am Fundort gibt es kaum Höhlenbäume, sondern v. a. Moorkiefern und schlechtwüchsige Fichten. Der nächstgelegene Fundort im NSG „Weicholdswald“ bei Bärenstein ist jedoch auch noch montan geprägt, sodass eine Thermophilie eher unwahrscheinlich ist. Eventuell könnte man den Fund auch mit einem Schwärmflug aus dem böhmischen Becken erklären?
Abb. 13-13: Funddaten von Euglenes pygmaeus aus der eigenen Datenbank
Nachtrag zu: „Dritter Beitrag zur Käferfauna eines Grundstücks“ aus dem Jahr 2015
Ein Männchen dieser Laufkäferart ist bereits vor über zwei Jahren, am 7.8.2015, mittels Lichtfang auf der Terrasse des Grundstücks nachgewiesen worden (Abb. 13-14).
Abb. 13-14: Laufkäferart Ophonus diffinis
Auf Grund der schwierigen Bestimmung, wurde das Tier damals vorerst als O. stictus gedeutet, eine Art, von der es Fundmeldungen aus Sachsen gab (siehe auch 3. Beitrag zur Käferfauna des Grundstücks). Nun liegt das Votum von Laufkäfer-Experten vor. Es soll sich tatsächlich um Ophonus diffinis handeln (det. I. BRUNK, det. D. W. WRASE). Im Jahr 2004 hat Andreas Weigel diese offenbar sehr seltene Art an drei Stellen im Erzgebirge mittels Bodenfallen nachgewiesen (WEIGEL 2005). Somit wäre dies der vierte oder fünfte Fund in Sachsen, denn ein Weibchen, das oben genanntem Ophonus sehr ähnlich ist, fand ich bereits am 21.7.2010 auf dem Osterzgebirgskamm bei Zinnwald in der Nähe des NSG „Georgenfelder Hochmoor“. Das Tier muss aber noch nachbestimmt werden. Im kommentierten Verzeichnis der Laufkäfer Sachsens (GEBERT 2008) wird Ophonus diffinis nicht genannt.
Die Gesamtartenzahl beläuft sich mittlerweile auf etwa 860 Käferarten. Einige schwer bestimmbare Arten werden derzeit noch von Spezialisten überprüft. Bezogen auf die unterschiedlichen Fangmethoden bedeutet dies:
Nach der bundesdeutschen Roten Liste (GEISER et al. 1998) sind im Garten bisher 74 unterschiedlich stark gefährdete Arten gefunden worden.
6x „vom Aussterben bedroht“:
Ophonus diffinis, Lyctus pubescens, Euglenes pygmaeus, Axinopalpis gracilis, Bruchidius varius?; Curculio elephas;
19x „stark gefährdet“:
Dolichus halensis, Badister peltatus, Agyrtes bicolor, Brachygonus megerlei, Dromaeolus barnabita, Attagenus punctatus, Mycetophagus fulvicollis, Aulonium trisulcum, Symbiotes gibberosus, Gastrallus laevigatus, Dorcatoma robusta, Euglenes oculatus, Diaclina fagi, Uloma culinaris, Oxythyrea funesta, Protaetia lugubris, Osmoderma eremita, Obrium cantharinum, Xylotrechus rusticus;
49x „gefährdet“:
Carabus convexus, Dyschirius angustatus, Bembidion fumigatum, Ophonus melleti, Harpalus calceatus, Bradycellus caucasicus, Acupalpus exiguus, Abax carinatus, Badister dilatatus, Leiodes strigipenne, Nossidium pilosellum, Siagonium quadricorne, Planeustomus palpalis, Platystethus nodifrons, Bledius procerulus, Hypnogyra glabra, Agaricochara latissima, Dacrila fallax, Phosphaenus hemipterus, Ebaeus flavicornis, Trichodes alvearius, Hylis olexai, Drapetes cinctus, Prionocyphon serricornis, Megatoma undata, Enicmus brevicornis, Latridius hirtus, Mycetophagus piceus, Cicones undatus, Colydium elongatum, Novius cruentatus, Scymnus interruptus, Vibidia duodecimguttata, Dorcatoma chrysomelina, Oligomerus brunneus, Palorus depressus, Ptinus sexpunctatus, Calopus serraticornis, Aderus populneus, Scraptia fuscula, Alleculamorio, Prionychus ater, Corticeus bicolor, Odonteus armiger, Trichius zonatus, Sinodendron cylindricum, Cerambyx scopolii, Exocentrus adspersus, Phyllotreta aerea;
In Anbetracht der jüngsten Veröffentlichungen und Diskussionen über den enormen Rückgang der Insekten auf nur noch 20 % gegenüber vor zwei Jahrzehnten (SORG et al. 2013, SPARMANN 2017) sind die oben dargestellten Ergebnisse scheinbar etwas gegenläufig. Aber nur scheinbar!
In der Publikation von SORG et al. (2013) geht es um Biomasse, d. h. die Aktivitätsdichten und Populationsgrößen von Insekten, die stark zurückgegangen sind. Bei den hier durchgeführten Untersuchungen wurde in erster Linie das Vorkommen von Arten dokumentiert, die sich wahrscheinlich noch innerhalb der relativ diversen, naturnahen dörflichen Strukturen entwickeln können. Auf den Agrarflächen der Umgebung, die mit massiven Einsatz von Technik, Kunstdünger und Pestiziden intensiv bewirtschaftetet werden (Stichwort: Glyphosat, Neonikotinoide) wird nahezu allen Organismen die Lebensgrundlage entzogen. Insofern verdeutlichen die Ergebnisse, wie groß die Biodiversität auf kleinstem Raum eigentlich sein kann. Über die Ursachen dieser Artenvielfalt bzw. Maßnahmen zu deren Förderung sind in den vorhergehenden Teilen der „Haus-und Hoffauna“ einige Aspekte erläutert worden. Wöchentlich gemähter Rasen, Laubbläser, RoundUp und andere Gifte, fremdländische Koniferen und Ziersträucher gehören jedenfalls nicht dazu. Mit dem Belassen von „Restnatur“ bzw. einem gelasseneren Umgang beim „In-Ordnung-Halten“ des Gartens könnte eigentlich jeder einen kleinen Beitrag gegen die Zerstörung der heimischen Natur leisten…