Vorbemerkungen (je ein Zitat aus den sechs vorangegangenen Beiträgen zur „Haus- und Hofkäferfauna“ 2013 bis 2018):
„…Ende 2013 berichtete ich im Beitrag: „Was kräucht und fleucht um Haus und Hof – Teil 1“ über die Käfer, die ich im Laufe des Jahres auf dem Grundstück nachgewiesen hatte. Bei gelegentlichen „Gartenexkursionen“, bei gezielten Beobachtungen der Vegetation und bei mehreren Lichtfängen waren etwas mehr als 300 Käferarten zusammengekommen…“
„…Im Jahr 2014 packte mich der Ergeiz und ich intensivierte die Käfererfassungsaktivitäten, indem ich vier Bodenfallen eingrub und alle 14 Tage leerte, eine Fensterkreuzfalle aufhängte und wiederum mehrere Lichtfänge machte. Am Ende des Jahres sind fast 500 Käferarten zusammengekommen, von denen wiederum fast 300 Arten neu waren, d.h. diese 300 Arten hatte ich im Jahr zuvor noch nicht gefunden. Somit sind nach zweijährigem Untersuchungszeitraum etwa 610 Käferarten auf dem Grundstück nachgewiesen worden. Die Ergebnisse sind im Beitrag „Was kräucht und fleucht um Haus und Hof – Teil 2“ dargestellt…“
„…Im Jahr 2015 gingen die Erfassungen mit geringerem Aufwand weiter. Wiederum spazierte ich besonders aufmerksam in den „eigenen vier Zäunen“ umher und alles, was mir an Käfern über den Weg lief, vors Auge flog sowie an der Hauswand oder auf der Vegetation saß, wurde bestimmt und dokumentiert, und falls es unbekannt oder auf den ersten Blick schwer erkennbar war, wurde es genauer unter die Lupe genommen. Zudem ist von Mitte Juni bis Mitte Oktober eine Bodenfalle auf der Wiese unter einem extra belassenen Heuhaufen und eine weitere Bodenfalle mitten im Komposthaufen eingegraben und alle 14 Tage geleert worden. Auch führte ich wieder mehrere Lichtfänge durch. Das Ergebnis am Ende Jahres: 360 Käferarten, darunter 110 neue Arten, d.h. sie wurden in den beiden Jahren zuvor noch nicht nachgewiesen (siehe auch: Beitrag „Was kräucht und fleucht um Haus und Hof – Teil 3“)...“
„…Auch in diesem Jahr 2016 wurde die Käferfauna des Grundstücks aufmerksam beobachtet und dokumentiert. Die Fangmethoden waren wiederum das gelegentliche Aussieben von Heu- und Laubhaufen, Klopfschirm- und Kescherfänge sowie Lichtfänge. Außerdem wurde im April und im Juni eine Bodenfalle im Kompost eingegraben und wöchentlich geleert. Am Ende des Jahres sind wieder über 300 Arten nachgewiesen worden mit immerhin fast 80 Neunachweisen, d.h. sie wurden in den drei Jahren zuvor noch nicht gefunden. Innerhalb von vier Jahren sind demnach 800 Käferarten auf dem 1000 qm großen Grundstück gefunden worden! Somit konnten fast 20 % der Arten nachgewiesen werden, die aktuell für ganz Sachsen gemeldet sind…“ (siehe auch: Beitrag „Was kräucht und fleucht um Haus und Hof – Teil 4“)…
Im Jahr 2017 gingen die Erfassungen zur Käferfauna des Grundstücks weiter. Die Fangmethoden und der Erfassungsumfang war ähnlich wie in den Vorjahren, d.h. Handfänge, Heu- und Laubgesiebe, 4 Lichtfänge sowie der gelegentliche Einsatz von Streifsack und Klopfschirm. Zudem gab es wieder Bodenfallenerfassungen von Mai bis Juli. Eine Bodenfalle wurde auf der Wiese am Stammfuß des Bergahorn-Hochstubbens eingegraben, was in etwa dem Bodenfallenstandort 2 aus der Erfassung von 2014 entsprach und die andere Bodenfalle auf einer Brache im Südwesten des Grundstücks, d.h. am Bodenfallenstandort 4 aus dem Jahr 2014. Am Ende der Fangsaison 2017 sind 396 Käferarten nachgewiesen worden, darunter etwa 70 Arten, die in den vier vorhergehenden Jahren noch nicht gefunden wurden.
Damit erhöht sich die Gesamtartenzahl, die innerhalb von 5 Jahren auf dem 1000 qm großen Gartengrundstück nachgewiesen werden konnten auf 870 Käferarten! ... (siehe auch: Beitrag „Was kräucht und fleucht um Haus und Hof – Teil 5“) (die Erhöhung um 10 Arten gegenüber dem Beitrag ist dadurch zu erklären, dass sich im Nachhinein nach der Überprüfung durch Spezialisten doch neue Arten hinzugezählt werden können)
Natürlich wurde auch im Jahr 2018 die „Haus- und Hoffauna“ wieder relativ akribisch dokumentiert. Fallenfänge sind zwar keine mehr durchgeführt worden. Dafür hat sich die Zahl der Lichtfänge erhöht, weil es wegen des extrem trocken-warmen und lange anhaltenden Sommers von April bis Oktober ausreichend Gelegenheit gab, bei entsprechend hohen Nachttemperaturen von über 20 °C zu leuchten. Bei diesen hohen Temperaturen nach Sonnenuntergang sind viele dämmerungs- und nachtaktive Käferarten besonders flugaktiv. Auf Grund der Lockwirkung durch eine 250 Watt sowie eine 125 Watt Mischlichtlampe, die auf der Terrasse installiert wurden, stammt natürlich ein großer Teil der Käfer, die ans weiße Laken flogen, nicht direkt vom Grundstück, sondern aus der näheren Umgebung des Dorfs. Im Jahr 2018 konnten wieder über 400 Käferarten registriert werden, wobei mehr als 1.700 Individuen erfasst wurden. Überraschend war, dass, wie schon ein Jahr zuvor, eine ähnlich hohe Zahl von ca. 80 „neuen“ Arten nachgewiesen werden konnte, d.h. sie wurden in den 5 Jahren zuvor nicht gefunden. … Viele Neunachweise im Jahr 2018 gelangen mit Hilfe der Lichtfänge.
Im Beitrag von 2018 ist eine Gesamtartenzahl nach 6 Jahren Erfassung von 930 angegeben worden. Eine Reihe von Arten bei denen Zweifel über die Bestimmung gab, wurden an Spezialisten geschickt. Im Laufe des Jahres 2019 kamen mehrere dieser Sendungen zurück, sodass sich die Artenzahl zum Stand 31.12.2018 auf 961 erhöht hat. Unter den überprüften Arten waren auch einige aus den vorangegangenen Jahren, sodass es bei den Artenzahlen in den einzelnen Jahren seit 2013 geringfügige Abweichungen gegenüber den damals in den jeweiligen Beiträgen angegebenen Artenzahlen gibt.
Da im Jahr 2019 weitere 43 „neue“ Arten nachgewiesen wurden, erhöht sich damit die Gesamtartenzahl auf 1004. Somit ist nach 7 Jahren ziemlich intensiver „Biodiversitätsforschung vor der Haustür“ auf dem heimischen tausend Quadratmeter großen Grundstück die 1000-Arten-Marke geknackt worden. Der jährliche Artenzuwachs (absolut und kumulativ) seit dem Beginn der Erfassungen im Jahr 2013 ist in Abb. 18-01 und Abb. 18-02 grafisch dargestellt.
Abb. 18-01: Gesamtübersicht zu den Artenzahlen
18-02: Trendlinie zur Artenakkumulation
Wiederum stammt ein Großteil der Neunachweise im Jahr 2019 von den Lichtfängen und insofern mit großer Wahrscheinlichkeit nicht unmittelbar aus dem Garten, sondern aus der näheren Umgebung. Die aus meiner lokal- und regionalfaunistischen Sicht bemerkenswerten „neuen“ Arten aus dem Jahr 2019 sowie einige interessante Arten, die aber auch schon in den vergangenen Jahren gefunden wurden, sind in folgender Übersicht zusammengestellt (Abb. 18-03):
Abb. 18-03: Im Jahr 2019 gefundene faunistische Besonderheiten (subjektive Einschätzung)
Einige der faunistisch interessanten Neufunde werden im Folgenden ausführlicher erläutert:
Beim Lichtfang auf der Terrasse am 9. August 2019 wurde 1 Exemplar angelockt. Das Tier stammt sicherlich vom ca. 1000 m westlich gelegenen Kaolin-Tagebau. Dort habe ich die Art im Jahr 2015 an vegetationsarmen Flachuferzonen gefunden (Abb. 18-04).
Abb. 15-04: Omophron limbatum hat eine für Laufkäfer untypische rundliche Körperform
Am 26. April 2019 konnte 1 Exemplar per Handfang erfasst werden (Abb. 15-05). Bisher habe ich diese Kurzflüglerart mit der markanten Kopfform erst zweimal gefunden. Der eigene Erstfund gelang am 26.4.1996 im nordwestlichen Teil der Dresdner Heide, namentlich im Prießnitzgrund beim Waldbad Klotzsche. Außerdem wurde die Art im Mai 2018 mittels Lufteklektor in Pirna nachgewiesen.
Abb. 15-05: Der ziemlich seltene Kurzflügler Gauropterus fulgidus
Am 26. August 2019 wurde ein Exemplar auf der Terrasse am Licht gefangen. Zwei Monate zuvor fand ich die Art erstmals in Sachsen beim Lichtfang auf den Elbwiesen in Dresden (siehe: 17. Beitrag in meinem Blog). Den Erstnachweis für Sachsen meldete Gollkowski (2008), der die Art 2007 in Chemnitz aus einem Komposthaufen gesiebt hatte. Bereits 2008 war die Art auch an mehreren Lokalitäten in der Oberlausitz präsent (Klausnitzer et al. 2018). Auch Peschel (2010) publizierte zwei Fundmeldungen aus dem Jahr 2009 aus Chemnitz und Leipzig.
Abb. 15-06: Die sich rasch ausbreitende Glanzkäferart Epuraea ocularis (Renner 2000, Wenzel 2004) (Foto: O. Jäger, Senckenberg Museum für Tierkunde Dresden)
Am 2.6.2019 ist ein schwärmendes Tier dieser ursprünglich mediterran verbreiteten Art abends auf der Terrasse mit der Hand gefangen worden. Einen Tag vorher wurden zwei Exemplare auch in Meißen in Elbnähe auf dem Gelände der Klosterruine gefunden. Am 23. Oktober 2019 habe ich ein weiteres Exemplar auf dem Grundstück entdeckt: es kam zum Vorschein als ein verlassenes Wespennest nach Käfern untersucht wurde, wobei allerdings nur noch der Schimmelkäfer Cryprophagus scanicus und der Moderkäfer Lathridius minutus gefunden werden konnte. Am 18.6.2019 ist die Art auch am Dresdner Elbhang bzw. oberhalb des Keppgrundes am sogenannten Zuckerhut mittels Lichtfang nachgewiesen worden. Der Erstnachweis in Sachsen gelang mit Hilfe eines Lufteklektors, der an einer trockenen Eiche im Dresdner Waldschlösschenareal befestigt war (leg. R. Gutzeit, siehe auch Hornig et al. 2016).
Abb. 15-07: Der ursprünglich aus dem Mittelmeerraum stammende Berginus tamarisci hat sich bei uns sicherlich etabliert (Foto: J. Reibnitz)
Am 24.6.2019 wurde je ein Exemplar einerseits beim Lichtfang auf der Terrasse am Tuch andererseits mit Hilfe der Stirnlampe beim Ableuchten des Berg-Ahorn-Hochstubbens, der 3 m vor der Terrasse auf der Wiese steht, gefunden. Zwei weitere Exemplare sind eine Woche später ebenfalls beim Lichtfang angelockt worden. Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich um eine Verschleppung, weil im Herbst 2017 Eichenholz mit Insekten-Fraßspuren aus Dresden mitgenommen wurde, um herauszufinden, was sich im Holz entwickelt. Hierbei sind interessante Arten nachgewiesen worden, u.a. auch Synchita mediolanensis als zweiter Nachweis für Sachsen (Lorenz 2018). Das Eichenholz (Amerikanische Weiß-Eiche) ist mittlerweile aus dem Zuchtgefäß genommen und zum weiteren Trocknen aufgestapelt worden. Sicherlich hat eine Umsiedlung und erfolgreiche Reproduktion am Berg-Ahorn-Hochstubben stattgefunden.
Der Erstnachweis für Sachsen stammt vom 31.7.2017 von einem Lichtfang im NSG „Seußlitzgrund“. Es können zwei weitere Funde genannt werden: 10.6.2019 Lichtfang Elbwiese Dresden-Stetzsch (leg., det., coll. H.P. Reike) sowie 18.6.2019 Lichtfang Elbhang Dresden. Die Art scheint offensichtlich lichtaffin zu sein und sich auszubreiten, da sie auch in Berlin in Anzahl gefunden wurde (J. Esser in litt.).
Abb. 15-08: Der Rindenkäfer Synchita mediolanensis hat sich in Sachsen sicherlich eingebürgert (Foto: O. Jäger, Senckenberg Museum für Tierkunde Dresden)
Beim Lichtfang am 24.6.2019 ist ein Exemplar des Splintholzkäfers Lyctus cavicollis (Abb. 15-09) ans Tuch geflogen. Im gleichen Jahr wurde diese Art auch bei drei weiteren Lichtfängen nachgewiesen: am 10.6.2019 auf den Elbwiesen in Dresden-Stetzsch, am 14.6.2019 in Freital am NSG „Windberg“ sowie am 18.6.2019 am Dresdner Elbhang. Der Erstnachweis für Sachsen stammt aus dem Jahr 2015 und gelang mit Hilfe eines Lufteklektors im Blatterslebener Grund (Hornig et al. 2016; Hornig & Lorenz 2018). Nach Geis (2016) handelt es sich um eine aus Nordamerika eingeschleppte und bei uns mittlerweile etablierte Art.
Abb. 15-09: Nordamerikanischer Splintholzkäfer Lyctus cavicollis (Foto: O. Jäger, Senckenberg Museum für Tierkunde Dresden)
Am 25.4.2019 wurde mit Hilfe einer Stirnlampe beim Ableuchten des Bergahorn-Hochstubbens, der auf der Wiese vor der Terrasse steht, ein Exemplar des Violetten Schwarzkäfers gefunden. Bisher konnte ich die Art an 13 Stellen in Sachsen nachweisen, mehrfach im Oberlausitzer Heide- und Teichgebiet, aber auch in der Sächsischen Schweiz, im NSG Seußlitzgrund“, in der Röderaue westlich von Großenhain sowie in der Göselbachaue südlich von Leipzig.
Abb. 15-10: Der ziemlich seltene violette Schwarzkäfer Platydema violaceum
Am 30.6.2019 wurde ein Exemplar ans Licht angelockt. Laut colkat gibt es bisher nur eine Meldung aus Sachsen. Nach Böhme (2001) lebt die Art monophag an Schilfrohr. Wahrscheinlich ist dieser Erdflohkäfer zufällig ans Licht geraten. Auf dem Grundstück gibt es kein Feuchtbiotop mit Schilf. Auch aus den Nachbargrundstücken ist kein Schilfvorkommen bekannt. Lediglich in der mehrere hundert Meter entfernten Kaolingrube befindet sich ein Restgewässer mit etwas Schilf.
Abb. 15-11: Der seltene Erdflohkäfer Psylliodes reitteri wurde erst das zweite Mal in Sachsen gefunden
Beim Lichtfang am 9.8.2019 konnte ein Exemplar nachgewiesen werden. Bisher habe ich die Art erst 3x in Sachsen gefunden. Hierbei fällt mir eine Namens-Eselbrücke ein, die vor 30 Jahren beim Forststudium bei der Forstschutz-Übung Herr Fritz Kost uns Studenten mitgab, um sich den Lateinischen Namen des „Erlenwürgers“ besser einprägen zu können:
Vorne schwarz und hinten weiß Frisst an jedem Erlenreiß Cryptorhynchus lapathi dieses hundsgemeine Vieh.
Abb. 15-12: Der Erlenwürger Cryptorhynchus lapathi scheint in Sachsen recht selten zu sein, obwohl er früher als „Schädling“ galt
Die Gesamtartenzahl beläuft sich mittlerweile auf mindestens 1004 Käferarten. Nach wie vor gibt es einige wenige Arten, über deren Artstatus Unklarheit besteht bzw. die derzeit noch bei Spezialisten zur Nachbestimmung liegen.
Bezogen auf die unterschiedlichen Fangmethoden bedeutet dies:
Nach der bundesdeutschen Roten Liste (Geiser et al. 1998) sind im Garten bisher 94 unterschiedlich stark gefährdete Arten gefunden worden. Eine ähnlich hohe Zahl an gefährdeten Arten konnte ich im Rahmen meiner Dissertation bei den dreijährigen Untersuchungen in der nördlich von Dresden gelegenen Kleinkuppenlandschaft nachweisen. Allerdings umfasst das dortige Untersuchungsgebiet 5 km² (Lorenz 1999).
Es kann das im vergangenen Jahr, d.h. im 15. Beitrag des Blogs vom Februar 2019 (6ter Beitrag zur Coleopterenfauna im eigenen Garten) formulierte Fazit nur bekräftigt werden.
Einige Anmerkungen sollen an dieser Stelle hinzugefügt werden:
Die extremen, lang andauernden trockenheißen Sommerhalbjahre in den zwei zurückliegenden Jahren haben sehr wahrscheinlich auch zu Veränderungen bei der Käferfauna geführt. Vermutlich kommt es bei aquatischen Arten zu einer erhöhten Flugaktivität, da ja die Gewässer schneller austrocken und auf der Suche nach neuen Lebensräumen die meist lichtaffinen Arten eher durch den Lichtfang angelockt werden. Im Jahr 2018 flog z.B. Hydrochara caraboides ans Licht und 2019 gleich drei Hygrotus-Arten (H. versicolor, H. inaequalis, H. impressopunctatus). Die höchsten Artenzahlen bei den aquatischen Arten konnten in den letzten beiden Jahren festgestellt werden. Vielleicht hängt dies aber auch nur mit der größeren Zahl an Lichtfängen zusammen?
Bei den Laufkäfern sind hingegen, abgesehen von wenigen Ausnahmen, relativ starke Bestandseinbrüche im Jahr 2019 zu verzeichnen oder zumindest Verschiebungen der Aktivitätsphasen. Hier scheinen sich zwei Effekte zu überlagern: Neben der extremen Trockenheit, die bis tief in die Böden reicht und sicherlich die im/am Boden jagenden Imagines und Larven negativ beeinflusst, fallen Ackerflächen durch die immer intensivere industrielle Landwirtschaft als Entwicklungshabitate für Insekten nahezu komplett aus, und Randstreifen werden auch immer schmaler und eutropher. Der vor allem am Licht manchmal zu Hunderten angelockte Harpalus rufipes war in den vergangenen beiden Jahren wesentlich seltener und die euryöken Arten Harpalus affinis sowie Bembidion lampros konnte 2019 überhaupt nicht nachgewiesen werden.
Auf Grund der hohen nächtlichen Temperaturen dürfte jedoch auch die Aktivität dämmerungs- und nachtaktiver sowie lichtaffiner Käferarten zugenommen haben. Auch hier überlagern sich zwei Effekte: Die extreme Trockenheit führte im Flach- und Hügelland zu Vitalitätseinbußen von nicht standortgeeigneten Baumarten, wie z.B. Fichten. Gleichzeitig hatten beispielsweise die Borkenkäfer leichtes Spiel mit den geschwächten Bäumen, was zur Massenvermehrung führte und die Bäume zum Absterben brachte. Vor allem der Kupferstecher (Pityogenes chalcographus) und der Buchdrucker (Ips typographus) wurden 2018 und vor allem 2019 zu hunderten vom Licht angelockt, während sie in den Vorjahren meist nur vereinzelt nachgewiesen werden konnten. Auch einige Bockkäferarten profitieren wahrscheinlich von der Klimaerwärmung im Allgemeinen und der Schwächung der Bäume im Speziellen. In den letzten Jahren regelmäßig am Licht konnte beispielsweise Axinopalpis gracilis und Exocentrus adspersus sowie Obrium cantharinum nachgewiesen werden. Ob die Arten eher ans Licht kommen, weil die Nächte wärmer sind und die Tiere agiler oder sie tatsächlich häufiger werden, muss offen bleiben.
Neben dieser witterungsbedingt erhöhten Aktivität heimischer Arten scheint es aber auch zu tatsächlichen Arealerweiterungen von südlichen bzw. wärmeliebenden Arten gekommen zu sein. Vor allem am Licht konnten Neufunde oder zumindest Zweit- und Drittnachweise für Sachsen festgestellt werden, wie z.B. für das Jahr 2018 der Blütenmulmkäfer Anthicus schmidti und 2019 der Glanzkäfer Epuraea ocularis. Auch der Laufkäfer Ophonus diffinis wurden in den vergangenen beiden Jahren ans Licht gelockt, nachdem im Jahr 2015 der zweite Fund für Sachsen gemeldet werden konnte. Der Splintholzkäfer Lyctus cavicollis wurde im Jahr 2015 erstmals in Sachsen nachgewiesen und 2019 auch auf dem Grundstück, ebenso wie der „Tamarisken-Mycelfresser“ Berginus tamarisci. Andererseits sind 40 % der Arten in den vergangenen 2 Jahren nicht mehr nachgewiesen worden.
Sicherlich sind Verallgemeinerungen auf Grund der dennoch lückenhaften Datenlage schwierig, zumal es keine einheitliche Methodik in den einzelnen Jahren gegeben hat. Aussagen über Trends sind noch unsicherer. Insofern ist es kein Widerspruch zum überall festzustellenden Artenschwund und des Verlusts an Biodiversität auf Grund der anthropogen verursachten negativen Veränderungen der Landschaft, dass es auf lokaler Ebene offenbar noch Refugien der Artenvielfalt gibt, und diese müssen nicht unbedingt in Schutzgebieten liegen. Oder ist es nur ein letztes „Aufbäumen“ bevor die Naturzerstörung und die Klimaerwärmung flächendeckend wirksam wird? Vielleicht bleibt als Resümee nur ein Filmzitat vom Chaosforscher Dr. Ian Malcolm, gespielt von Jeff Goldblum, aus „Jurassic Park“: „Das Leben findet einen Weg“, wobei wohl in der Realität ein Fragezeichen angebracht wäre, oder?