Im Rahmen von Nutzungsänderungen von Ackerflächen von intensiv auf extensiv sollen die Auswirkungen auf die Biodiversität der Insekten überprüft werden. Auf fünf unterschiedlich bewirtschafteten Flächen, die sich um die Ortschaft Peritz nordwestlich von Großenhain befinden, wurde die Käferfauna erfasst und naturschutzfachlich bewertet. Die Käfer (Coleoptera) gehören zu den artenreichsten Insektengruppen. In Sachsen sind aktuell etwa 4.400 Arten bekannt. Käfer haben eine relativ große bioindikatorische Relevanz, weil ein nicht unerheblicher Teil der Arten spezifische Ansprüche an ihren Lebensraum stellen und empfindlich auf Umweltveränderungen reagieren. Außerdem gibt es einen recht guten Kenntnisstand über deren Ökologie und Verbreitung.
Zur Erfassung der am Boden lebenden Käfer kamen von Ende März bis Mitte Juli Bodenfallen zum Einsatz. Verwendet wurden Kunststoffbecher mit 9 cm Öffnungsdurchmesser und 10 cm Höhe. Auf jeder der fünf Flächen wurden vier Fallen zu einem Fallentransekt, d.h. in Reihe mit etwa 10 m Abstand ebenerdig eingegraben. Um die Umgebung der Falle möglichst unbeeinflusst zu lassen, wurden die Löcher mit Hilfe eines Edelstahlzylinder ausgestochen, der den Durchmesser der Becher hat (Abb. 33_01) und immer zwei Becher ineinandergesteckt, damit beim Herausziehen das Bodensubstrat nicht ins Loch rutscht. Als Fang- bzw. Konservierungsflüssigkeit diente gesättigte Salzlösung unter Zusatz von etwas Alkohol und Essig sowie Waschpulver als Detergenz (zur Herabsetzung der Oberflächenspannung). Die Fallen wurden etwa alle 14 Tage geleert. Der Aufbau erfolgte am 27.3.2024 und die Leerungstermine waren am 21.4., 4.5., 19.5., 3.6. sowie 17.6.2024. An den Fallenleerungstagen erfolgten Handfänge mit Hilfe eines stabilen Keschers („Streifsack“), mit dem die Vegetation abgestreift wurde. Außerdem fanden Mitte Juli, Mitte August und Mitte September weitere Streifsackfänge statt.
Abb. 33-01: Links: Edelstahlrohr zum möglichst passgenauen Ausstechen ohne die Umgebung groß aufzulockern; rechts: ebenerdig eingesetzter Kunststoffbecher.
Das Fangmaterial bzw. alle Käfer wurden im Labor unter einer großen Lupenlampe und eines Stereomikroskops ausgelesen. Zusätzlich über den eigentlichen Leistungsumfang hinaus sind Wildbienen, Grabwespen und stichprobenartig auch Wanzen, Zikaden, Heuschrecken, Raubfliegen separiert und in 70%igem Alkohol konserviert worden. Dieser Beifang wird Spezialisten zur Verfügung gestellt, die dem Autor bekannt sind. Hierbei handelt es sich um Freizeit-Entomologen, die sachsen- und deutschlandweit faunistisch tätig sind. Das Fangmaterial bzw. alle Käfer wurden im Labor unter einer großen Lupenlampe und eines Stereomikroskops ausgelesen. Zusätzlich über den eigentlichen Leistungsumfang hinaus sind Wildbienen, Grabwespen und stichprobenartig auch Wanzen, Zikaden, Heuschrecken, Raubfliegen separiert und in 70%igem Alkohol konserviert worden. Dieser Beifang wird Spezialisten zur Verfügung gestellt, die dem Autor bekannt sind. Hierbei handelt es sich um Freizeit-Entomologen, die sachsen- und deutschlandweit faunistisch tätig sind.
Die Käfer sind mit einem Stereomikroskop bei bis zu 40facher Vergrößerung bis zur Art bestimmt worden, wobei bei manchen Arten eine Genitalpräparation erforderlich ist. Als Bestimmungsliteratur diente das Standardwerk: „Freude, Harde, Lohse: Die Käfer Mitteleuropas“ sowie der darauf aufgebaute, ergänzte und verbesserte Online-Bestimmungsschlüssel „Käfer Europas https://coleonet.de“. Zudem verfügt der seit über 45 Jahren entomologisch tätige Autor über eine umfangreiche Belegsammlung in der ein Großteil der 4.400 aktuell nachgewiesenen sächsischen Käferarten als sicher bestimmtes Vergleichsmaterial enthalten ist.
Kurzcharakteristik der Untersuchungsflächen:
Intensiv bewirtschaftete Ackerfläche nördlich Peritz, Raps (FlSt. 901) (51°21’12.9‘‘N, 13°25’27.1‘‘E);
Intensiv bewirtschaftete Ackerfläche östlich Peritz (März - Mai Gerste, dann Mahd, Umbruch, Einsaat mit Mais (dadurch kam es zu Fallenausfällen) (FlSt. 791) (51°20’57.9‘‘N, 13°26’07.9‘‘E);
Brache am südlichen Ortsrand („Dorfbrache“), die seit 2 Jahren nicht mehr herkömmlich bewirtschaftet und nur 1x jährlich gescheibt wird (FlSt. 817) (51°20’48.3‘‘N, 13°25’31.3‘‘E);
Ruderalfläche östlich Peritz, die seit 2 Jahren nicht mehr herkömmlich bewirtschaftet und nur 1x jährlich gescheibt wird (FlSt. 799) (51°21’00.8‘‘N, 13°26’14.1‘‘E);
Grünland mit extensiver Rinder-Beweidung und gelegentlicher Mahd östlich von Peritz (FlSt. 781) (51°20’58.6‘‘N, 13°26’48.1‘‘E);
Abb. 33-02: Lage der Untersuchungsflächen
Die Unterschiede in Struktur und Vegetationszusammensetzung sollen folgende zwei Fotos vom Maisacker und der gegenüber liegenden 2jährigen Ruderalfläche verdeutlichen (Abb. 33_03 und 33_04)
Abb. 33-03: Mais-Acker Mitte Juni
Abb. 33-04: Blütenreiche Ruderalfläche Mitte Juni im zweiten Jahr nach der Aufgabe der intensiven Nutzung
Insgesamt wurden 402 Käferarten nachgewiesen, wobei 11.810 Individuen erfasst worden sind. Die Arten- und Individuenzahlen auf den einzelnen Flächen sind aus Abb. 33_05 ersichtlich. Die Artenzahlen differieren zwischen von 81 (Nr. 1: Ackerfläche: Gerste/Mais) bis 265 (Nr. 5: Extensiv-Viehweide) und damit um mehr als das Dreifache sowie bei den Individuen von 659 (Nr. 1: Ackerfläche: Gerste/Mais) bis 4557 (Nr. 3: „Dorfbrache“) und damit fast um das Siebenfache.
Abb. 33-05: Arten- und Individuenzahlen auf den einzelnen Flächen (Bodenfallen / Streifsackfang)
Die Anteile der Arten- und Individuenzahlen sind in folgenden Säulendiagrammen dargestellt, wobei in den Abbildungen 33_06 und 33_07 absolute sowie in den Abbildungen 33_08 und 33_09 relative Werte abgebildet werden. Bezogen auf die absoluten Artenzahlen ist die Viehweide am artenreichsten, und auf dem Maisacker wurden die wenigsten Arten nachgewiesen. Die meisten Käferindividuen wurden auf der „Dorfbrache“ registriert und die wenigsten Tiere wiederum auf dem Maisacker.
Abb. 33-06: Artenzahlen (absolute Werte) auf den fünf Untersuchungsflächen
Abb. 33-07: Individuenzahlen (absolute Werte) auf den fünf Untersuchungsflächen
Abb. 33-08: Artenzahlen (relative Werte) auf den fünf Untersuchungsflächen
Abb. 33-09: Individuenzahlen (relative Werte) auf den fünf Untersuchungsflächen
Mit Hilfe der Bodenfallen werden vor allem die aktiv am Boden umherlaufenden Käferarten erfasst. Das sind in erster Linie Laufkäfer und Kurzflüglerkäfer. Während die Artenzahlen einigermaßen gut die Biodiversität und den naturschutzfachlichen Wert einer Fläche widerspiegeln, bedürfen die ermittelten Individuenzahlen einer differenzierten Interpretation: Die Bodenfallen ermitteln vor allem Aktivitätsabundanzen, d.h. die schnellsten und aktivsten Käfer werden überproportional gefangen. Ein Aspekt ist der Raumwiderstand am Boden. Wenn wenig Vegetation vorhanden ist bzw. viel kahler Boden bzw. nur ab und zu ein Stängel können sich die laufaktiven Arten schneller fortbewegen und die Wahrscheinlichkeit, dass sie in die Fallen geraten, ist höher. Außerdem müssen die Arten größere Strecken zurücklegen, um an Nahrung zu gelangen. Demgegenüber ist bei einer dichten Bodenvegetation das „Vorankommen“ schwieriger, die Tiere bewegen sich langsamer und geraten seltener in die Fallen, obwohl sie absolut gesehen, wesentlich häufiger pro Flächeneinheit vorhanden sind. Auf Grund der Strukturvielfalt in der Vegetation gibt es auch mehr phytophage Arten, sodass die räuberischen Arten nicht so große Strecken zurücklegen müssen, um an Nahrung zu gelangen. Eine hohe Fangzahl an Individuen kann somit nicht unbedingt als besonders gut oder „hochwertig“ für eine Flächenbewertung interpretiert werden. Bei der Fläche Nr. 5 (Extensiv-Viehweide) wurden die Bodenfallen unmittelbar am Zaun positioniert, um ein Zertrampeln durch die Rinder zu verhindern. Außerdem gibt es unmittelbar angrenzend einen Graben, der als artenreiches Strukturelement weiteren, feuchtepräferenten Arten Lebensraum bietet. Dies dürfte auch eine Ursache der hohen Artenvielfalt sein. Die Fläche Nr. 3 (Dorfbrache) und Fläche Nr. 4 (Ruderalfläche) haben ähnlich hohe Artenzahlen. Hier wechseln sich unterschiedliche Blühaspekte im Laufe der Saison ab. Die Fläche Nr. 2 (Rapsacker) hatte einen schmalen Streifen, wo es zum Ausfall kam und sich eine Ruderalflur entwickelt hat, die offensichtlich ausreichend war, um einigen Arten zusätzlich Lebensraum zu bieten, die im reinen Rapsacker nicht vorkommen würden. Die Fläche Nr. 1 (Acker Gerste/ Mais) war im Frühjahr als die Gerste noch wuchs, recht artenreich. Nach dem Vollumbruch und der Maiseinsaat kann die Fläche nur noch als lebensfeindliche Monokultur eingestuft werden, wo sich keinerlei Begleitvegetation etablieren konnte und somit auch keine phytophagen Arten. Insgesamt ist die Anzahl von Rote-Liste- und faunistisch bedeutsamen Arten auf den intensiv bewirtschafteten Flächen höchstens halb so hoch, wie auf den anderen Flächen. Der Anteil von Rote-Liste-Arten und faunistisch bedeutsamen Arten ist auf den beiden Ruderalflächen (Nr. 3 und 4) mit über 20 % am höchsten, liegt aber auch auf der Viehweide noch bei einem Fünftel aller Arten, während er auf dem intensiv bewirtschafteten Flächen nur bei etwa 10 % liegt. Die Individuenzahlen sind hier nicht aussagefähig (siehe unten: Anmerkungen Rote Listen).
Anmerkung zu den Roten Listen: Da hier alle Käferarten bestimmt und ausgewertet worden sind, wurde die „westdeutsche“ Rote Liste der Käfer verwendet, weil es keine sächsische Rote Liste für alle Käfer gibt, sondern nur für wenige Käferfamilien. Außerdem widerspiegeln auch die derzeit noch gültigen sächsischen Listen nicht den tatsächlichen Gefährdungsgrad, weil sie entweder veraltet sind oder ungenügend recherchiert wurden, da die aktiv in Sachsen tätigen Entomologen nicht einbezogen worden sind. Die „westdeutsche“ Rote Liste muss als solche bezeichnet werden, weil kaum ostdeutsche Entomologen beteiligt wurden und deren Fachwissen ignoriert wurde und es somit anmaßend und fachlich fragwürdig ist, von einer Roten Liste Deutschlands zu sprechen. Diese „westdeutsche“ Rote Liste kann somit nur eine grobe Orientierung liefern. Deshalb wurden weitere bewertungsrelevante Arten (gelb gefärbt in obige Abb. 31 bis 34) extra ausgewählt bzw. farbig hervorgehoben. Hierbei handelt es sich um relativ seltene, aus regionalfaunistischer, ökologischer Sicht wertgebende Arten mit z.T. spezifischen Habitatansprüchen, die allerdings eine subjektive Einschätzung des Autors sind, auf Grundlage seiner 45jährigen koleopterologischen Erfahrungen und einer Datenbank mit reichlich 140.000 Datensätzen von fast 4.000 Käfern, die von über 2.200 Fundorten aus ganz Sachsen stammen, dies aber eben nicht bei der Erarbeitung der Roten Liste berücksichtigt wurde. Insofern könnten die Roten Listen und die dortigen Gefährdungsangaben von Intensivierungs-Befürwortern der Agrarindustrie-Lobby infrage gestellt werden, die die Ausräumung der Landschaft und den wissenschaftlich nachgewiesenen Verlust an Biodiversität und Biomasse auf Ackerflächen als Panikmache von „linksgrün versifften Ökospinnern“ diffamieren, wenn selbst auf Intensiv-Äckern 20 % der Käferindividuen auf der Roten Liste stehen (siehe oben Abb. 34, zweiter Balken: Raps-Acker).
Ein Großteil der Rote-Liste- und relativ seltenen/ faunistisch bedeutsamen Arten kann als typische Besiedler von besonnten, trockenwarmen, gehölzfreien Lebensräumen eingestuft werden (Abb. 33_10 und 33_11). Auch gibt es eine Bindung an sandige Böden für die meisten der in den Bodenfallen nachgewiesenen Käfer.
Abb. 33-10: Teil 1 Auswahl von ca. 100 bemerkenswerten Arten auf Grund ihres Rote-Liste-Status‘, Schutzstatus entspr. BArtSchV oder relativen Seltenheit/ spezifischen ökologischen Ansprüchen
Abb. 33-11: Teil 2 Auswahl von ca. 100 bemerkenswerten Arten auf Grund ihres Rote-Liste-Status‘, Schutzstatus entspr. BArtSchV oder relativen Seltenheit/ spezifischen ökologischen Ansprüchen
Wenn man die Ernährungsweise der nachgewiesenen Arten auf den Untersuchungsflächen betrachtet, wird deutlich, dass sich die Artenzahlen von pflanzenfressenden Käfern auf den zwei Jahre alten „Brachen“ im Vergleich zu den Ackerflächen bereits mehr als doppelt so hoch sind. Auf dem extensiven Grünland, d.h. einer „dauerbegrünten“, relativ naturnahen Fläche ist eine nochmals deutlich höhere Zahl an phytophagen Arten nachgewiesen worden (Abb. 33_12). Da die meisten der phytophagen Käferarten mit Hilfe der Streifsackfänge nachgewiesen werden konnten und demgegenüber die meisten der zoophagen (viele Laufkäfer und Kurzflügler) und omnivoren (teils Samenfresser und teils carnivor, d.h. tierische Kost, beispielsweise Laufkäfer der Gattungen Harpalus und Amara, die einen Großteil des Arten- und Individuenanteils) mit Bodenfallen gefangen werden, erzielt man durch die hier verwendete Methodenkombination den tatsächlichen Gegebenheiten realistischere Ergebnisse. Wenn man nur, wie sonst üblich Bodenfallenfänge und nur Laufkäfer auswerten würde, erhielte man falsche bzw. einseitige Ergebnisse.
Abb. 33-12: Käferartenzahlen auf den fünf Untersuchungsflächen entsprechend der Ernährungsweise
Auf Grund ihrer relativen Seltenheit werden im Folgenden (Abb. 33_13 bis Abb. 33_29) einige Arten in Bezug auf die bisher bekannte Verbreitung genannt, mit kurzen Anmerkungen zu deren Lebensraumansprüchen. Als Basis dient die Website: www.coleoweb.de. Die meisten dieser faunistisch bemerkenswerten Arten wurden auf den nicht intensiv bewirtschafteten Flächen Nr. 3 („Dorfbrache“), Nr. 4 (Ruderalfläche) und Nr. 5 (Extensiv-Weide) nachgewiesen.
Abb. 33-13: Ein Exemplar dieser offenbar an sandige, trockene, besonnte Böden gebundene Laufkäferart wurde Anfang Mai 2024 in einer Bodenfalle auf dem Raps-Acker gefangen. Die Fundmeldungen konzentrieren sich auf den nordöstlichen Teil Deutschland und die Verbreitungsgrenze geht schräg durch Sachsen.
Abb. 33-14: Ein Exemplar dieser seltenen Stutzkäferart wurde Mitte Mai 2024 mit Bodenfalle auf der „Dorfbrache“ gefangen. Nach Hornig & Lorenz (2018) gab es bisher erst eine aktuelle Fundmeldung aus dem nördlichen Sachsen bzw. aus der Nähe von Zschepplin an der Mulde.
Abb. 33-15: Ein männliches Exemplar dieser Kurzflüglerart wurde Ende April 2024 auf der Ruderalfläche östlich von Peritz in der Bodenfalle gefangen. Nach Vogel 2013 gab es bisher vor allen einige wenige Fundmeldungen aus der Oberlausitz. Im Jahr 2024 konnte ich die Art auch im NSG „Prießnitz“ östlich von Frohburg beim Lichtfang und am Elbufer in Meißen im Hochwassergenist nachweisen.
Abb. 33-16: Je ein Exemplar dieser „Zipfelkäferart“ wurde Mitte Mai und Mitte Juni 2024 in der Umgebung der Viehweide mit Streifsack erfasst. Laut den Fundmeldungen im Online-Portal www.coleoweb.de scheint die Art eine interessante bzw. ziemlich einschränkte Verbreitung zu haben, die eventuell mit der Elbaue zusammenhängen könnte. Seit 2001 konnte ich die Art an acht verschiedenen Fundorten in Sachsen finden, die alle nur wenige Kilometer von der Elbe entfernt sind, beispielsweise linkselbisch an den Ketzerbach-Trockenhängen bei Wachtnitz und Schieritz und rechtselbisch bei Friedewald, Radebeul, Coswig/Sa., Blatterslebener Grund (oberhalb NSG Seußlitzgrund) und Elbe-Altarm „Prudel Döhlen“ bei Großtreben (Nordsachsen). Etwas aus der Reihe fällt der Fund auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Kleinraschützer Heide westlich von Großenhain, wenngleich das Gebiet an das Flüsschen Röder angrenzt, das nur wenige Kilometer von der Elbaue entfernt ist und zum Einzugsgebiet der Elbe gehört, weil die Röder in die Schwarze Elster mündet, die parallel bzw. nördlich der Elbe fließt und schließlich südöstlich Wittenberg in diese mündet. Zu letzterem könnte man auch den hiesigen Fundort zählen.
Abb. 33-17: Diese unscheinbare Prachtkäferart wurde mehrfach aus dem relativ naturnahen, mit Binsen und Seggen bewachsenen Graben gekeschert, der die Viehweide nordwestlich begrenzt. Im Jahr 2023 konnte ich die Art auch bei Torgau nachweisen. Der erste aktuelle Fund in Sachsen gelang 2004 und stammt aus dem NSG „Gohrischheide und Elbniederterrasse Zeithain“ (Weigel 2005) – also nur wenige Kilometer westlich des hiesigen Fundorts.
Abb. 33-18: Ein männliches Exemplar dieser an Minzarten gebundenen Glanzkäferart wurde Anfang Juni 2024 auf der Ruderalfläche östlich von Peritz erfasst. Drei Jahre zuvor konnte ich die Art bei mir im Garten nachweisen. Aus Oberlausitz (Guttau) gab es bisher Altfunde aus den 1970 Jahren von M. Sieber und einen aktuelleren Fund von 2006 aus Rohne bei Weißwasser von W. Hoffmann (Klausnitzer et al. 2009).
Abb. 33-19: Über den gesamten Bodenfallenfangzeitraum von Mitte April bis Ende Juni 2024 wurde diese Halskäferart mehrfach auf fast allen Untersuchungsflächen um Peritz nachgewiesen. Bisher lagen nur wenige Fundmeldungen aus Sachsen vor. Ich konnte die Art erstmals 1995 auf einer Trümmerschuttdeponie in Dresden finden. Aus dem Jahr 2014 stammen zwei weitere Nachweise, einerseits aus Köllitzsch (Nordsachsen) ebenfalls mit Bodenfallen und andererseits aus Nieschütz nordwestlich von Meißen bzw. direkt am sandigen Elbufer per Handfang. 2023 fand ich die Art dann mehrfach in Bodenfallen auf einem Gartengelände in Coswig/Sa. (siehe auch 27. Beitrag auf der Website) und auf einer Pferdeweide bei Wantewitz zwischen Meißen und Großenhain (siehe auch 29. Beitrag auf der Website) sowie 2024 auch im Hochwasser-Ufergenist in Meißen (Lorenz & Weidlich 2025, i. D.).
Abb. 33-20: Ein Exemplar dieser bei uns recht seltenen Blatthornkäferart wurde Anfang Juni 2024 auf dem Rapsacker in einer Bodenfalle gefangen. Bisher sind erst wenige Fundmeldungen aus Sachsen bekannt (Rössner 2012). Die eigenen Nachweise stammen aus dem Jahr 2010 vom Elbhang bei Karpfenschänke nordwestlich von Meißen und aus dem Jahr 2022 von einer Streuobstwiese in Jahnishausen südöstlich von Riesa.
Abb. 33-21: Je ein Exemplar dieser bei uns recht seltenen Bockkäferart wurde Anfang/Mitte Mai 2024 auf der „Dorfbrache“ und am Rande der Extensiv-Viehweide mit Streifsack erfasst. Bisher konnte ich die Art erst einmal in Sachsen nachweisen: Wiese neben Pferdeweide Nähe Ortschaft Sprotta bei Eilenburg in Bodenfalle (siehe auch 29. Beitrag auf der Website).
Abb. 33-22: Ein Exemplar dieser bei uns seltenen, an Leinkraut gebundenen Blattkäferart wurde Anfang Mai 2024 auf der „Dorfbrache“ mit Streifsack erfasst. Ursprünglich laut (Köhler & Klausnitzer 1998 als fraglich für Sachsen angegeben, stellte sich später heraus, dass es Altfunde aus den 1980er Jahren sowohl aus Hoyerswerda von W. Hoffmann als auch aus Großschönau von M. Sieber gibt. Aktuelle sächsische Fundmeldungen stammen von 2007 und 2009 von M. Krahl bei Reichwalde (Klausnitzer et al. 2009, Klausnitzer et al 2018) und nachSobczyk & Hoffmann (2021) aus dem Jahr 2020 bei Klein Partwitz, also ebenfalls aus der Oberlausitzer Bergbaufolgelandschaft.
Abb. 33-23: Je ein Exemplar dieser an Greiskraut gebundenen Blattflohkäferart wurde Ende April 2024 einerseits auf der Ruderalfläche östlich von Peritz“ gekeschert und andererseits in einer Bodenfalle auf dem Getreide/Maisacker gefangen. Der Erstnachweis für Sachsen gelang 2019 bei Penig (Jäger & Lorenz 2020). Möglicherweise wird die Art über Blühsaatenmischungen verschleppt und/oder breitet sich mit dem invasiven Jakobs-Greiskraut aus.
Abb. 33-24: Ein Exemplar dieser an verschiedenen Korbblütengewächsen lebenden Schildkäferart wurde Anfang Mai 2024 an der Extensiv-Viehweide mit Streifsack erfasst. Der Erstnachweis für Sachsen gelang 2001 (Lorenz 2005). Zwei weitere Funde werden beispielsweise von W. Hoffmann aus der Oberlausitz gemeldet: einerseits von 2004 aus der Hoyerswerdaer Heide (Klausnitzer 2009) und andererseits von 2012 aus der Ortschaft Zeißig bei Hoyerswerda (Klausnitzer et al. 2018).
Abb. 33-25: Je ein Exemplar dieser wahrscheinlich an Hundskamille (Anthemis) gebundenen Spitzmausrüsselkäferart wurde Ende März 2024 einerseits im Bereich der Extensiv-Viehweide und andererseits auf der Ruderalfläche östlich von Peritz“ mit Streifsack erfasst. Aktuellere Fundmeldungen aus Sachsen liegen beispielsweise von 2013 aus dem Vogtland von A. Weigel vor (Hornig & Lorenz 2018) sowie von 2020/21 aus der Oberlausitz von M. Krahl und M. Sieber.
Abb. 33-26: Je ein Exemplar des wahrscheinlich an Resede gebundenen „Weißrandigen Stengelrüsslers“ wurde Mitte Mai 2024 auf der „Dorfbrache“ mit Streifsack und Bodenfalle erfasst. Die wenigen aktuellen Fundmeldungen beschränkten sich bisher v.a. auf die Oberlausitz.
Abb. 33-27: Wenige Exemplare des an verschiedenen Schmetterlingsblütengewächsen lebenden Südlichen Kokonrüsslers wurde von Anfang Mai bis Ende Juni 2024 auf der Ruderalfläche östlich von Peritz und an der Extensiv-Viehweide mit Streifsack erfasst. Bisher hab es wenige aktuelle Fundmeldungen aus der Oberlausitz (Klausnitzer et al. 2018).
Abb. 33-28: Wenige Exemplare des u.a. an Acker-Schmalwand (Arabidopsis) gebundenen Schwachzottigen Kleinrüsslers wurde von Anfang Mai bis Anfang Juni 2024 auf der Ruderalfläche östlich von Peritz und auf der „Dorfbrache“ sowie der Getreide-/Mais-Ackerfläche mit Streifsack erfasst. Die wenigen aktuellen sächsischen Fundmeldungen stammen aus der Oberlausitz (Klausnitzer et al. 2018).
Abb. 33-29: Ein Exemplar des an Erdrauch (Fumaria) gebundenen Gezähnten Erdrauchrüsslers wurde Ende Mai 2024 auf der Getreide-/Mais-Ackerfläche mit Bodenfalle erfasst. Bisher war nur eine aktuelle sächsische Fundmeldung aus dem Jahr 2016 von H. Müller aus Wartha bei Groß Särchen bekannt (Hornig & Lorenz 2018).
Auf den erst vor zwei Jahren aus der intensiven Ackernutzung genommenen Flächen Nr. 3 („Dorfbrache“) und Nr. 4 („Ruderalfläche“) konnte eine mehr als doppelt so große Artenzahl bei den Käfern festgestellt werden, als auf intensiv bewirtschafteten Ackerflächen. Zudem sind relativ viele gefährdete und faunistisch bemerkenswerte Käferarten auf diesen Stilllegungsflächen gefunden worden. Dies unterstreicht die große Bedeutung solcher Flächen für die Biodiversität und hebt den naturschutzfachlichen und ökologischen Wert hervor. Gleiches gilt für die extensiv beweidete Fläche. Hinzu kommen hier naturnahe Strukturen, wie der Graben, an dessen Böschung und temporär mit Wasser gefüllten Sohle sich eine artenreiche Vegetation aus feuchtepräferenten Pflanzen etabliert hat und die Böschungen nicht jährlich radikal heruntergemäht werden. Eine gewisse Kontinuität bzw. Habitattradition bzw. extensive Bewirtschaftung fördert die Artenvielfalt zusätzlich. Demgegenüber kann der intensiv bewirtschaftete Maisacker als „absolute Todeszone“ für die heimische Insektenfauna bezeichnet werden. Mit Hilfe der Streifsackfänge konnte hier kein einziger Käfer nachgewiesen werden, wohingegen auf der benachbarten Ruderalfläche oder der Dorfbrachte bis zu 50 Arten je Begehung gekeschert werden konnten.
Um die Artenvielfalt weiter zu fördern, sollten solche Ackerbrachen wie Flächen Nr. 3 und 4 extensiv alternierend gemäht und/ oder gescheibt werden, indem jeweils abwechselnd ein Drittel der Fläche pro Jahr unberührt bleibt und nur zwei Drittel bearbeitet werden. Zudem kann fleckenweise (jeweils 20 bis 100 qm Fläche) im Herbst/ Winter der Boden aufgerissen werden, um neue Rohbodenstellen zu schaffen (eine Art Lerchenfenster). Diese Rohbodenflecken bzw. -streifen sollen dann jahrweise „wandern“, indem immer ein benachbartes Stück bearbeitet wird. Mulchen ist kontraproduktiv, weil es Nährstoffe einträgt und zur Homogenisierung und Verringerung der Pflanzenartenvielfalt führt bzw. zur Ausbreitung nitrophiler Arten. Als Abgrenzung und Puffer zu den intensiv bewirtschafteten Flächen sollten heimische Sträucher gepflanzt werden.
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